Luftaufklärung über Mailing

09.04.2018 | Stand 02.12.2020, 16:35 Uhr

(rh) Nein, es ist nicht alles schlecht an der Groko. Wenn man mal ganz ehrlich ist, bringt die Zusammenarbeit von Union und SPD doch etliche Vorteile mit sich. Man braucht nur an solche Beschlüsse zu denken wie etwa die, ähm, nur mal so als Beispiel, ähm, es liegt uns gerade auf der Zunge, doch wirklich, da gibt es durchaus ein paar Sachen, die bestimmt erwähnenswert wären, wie, ähm, und dann nicht zu vergessen neulich dieser Supervorschlag von dem Dings, diesem neuen Minister, alle Achtung, wie heißt der Mann gleich nochmal. Also der Lindner von der FDP hätt's nicht besser gekonnt.

So weit in aller Kürze ein inhaltlicher Abriss über die positiven Seiten der schwarz-roten Koalition in Berlin. Doch warum in die Ferne schweifen. Wer für das gedeihliche Zusammenwirken von CSU- und SPD-Politikern ein echtes historisches Vorbild sucht, findet es ideal verkörpert in der jüngeren Geschichte des Ingolstädter Ortsteils Mailing-Feldkirchen, um genauer zu sein: in der Stadtratsarbeit von Georg Jehn (CSU) und Georg Schieder (SPD). So unterschiedlich die politischen Wurzeln des Volksschulrektors und des mittlerweile verstorbenen Gewerkschaftsführers auch waren - sobald es um die Interessen ihres Stadtteils ging, hielten die beiden zusammen wie Pech und Schwefel. Was durchaus nahe lag, da noch vor 30 Jahren Schwefeldioxid samt einem Mix weiterer stinkender Schadstoffe dem Osten Ingolstadts einen üblen Ruf verpasst hatte. Nur zwischen dem Jehn-Schorsch und dem Schieder-Schorsch, da stimmte eben die Chemie.
Beide Ehrenmänner sind längst von der politischen Bühne abgetreten, aber die Müllverbrennungsanlage am Mailinger Bach verrichtet nach wie vor ihr geduldiges und verdienstvolles Tagwerk. Sie heißt jetzt sogar Müllverwertungsanlage und steht natürlich als Luftverpesterin sowie zuverlässige Lieferantin negativer Schlagzeilen seit geraumer Zeit nicht mehr zur Verfügung. Auf der MVA-Kommandobrücke übt sich derweil die Geschäftsführung in wohltuender Bescheidenheit, erreicht dabei fast das Niveau des schweigsamen staatlichen Vermessungsamtes, was die mediale Zurückhaltung betrifft.

Klar, dass man sich dann bei der Geschichtsschreibung in eigener Sache ein bisserl schwerer tut, wenn man - wie in der vergangenen Woche im städtischen Informationsblatt - doch mal an die Öffentlichkeit tritt. Die zwei alten Müllöfen, so die eigenwillige MVA-Chronik, hätten damals in den achtziger Jahren abgeschaltet werden müssen, weil "die Emissionswerte der Bundes-Immissionsschutzverordnungen geändert wurden". So kann man die Konsequenzen aus alarmierenden Dioxinwerten, Bürgerprotesten und scharfen politischen Kontroversen auch beschreiben. Die deutsche Wehrmacht musste bei Kriegsende im Mai 1945 ja auch kapitulieren, weil die Militärbehörden der USA und der UdSSR die Vorschriften für den Gebrauch von Kriegswaffen verschärften.