Stadtgeflüster vom 3. März 2011

02.03.2011 | Stand 03.12.2020, 3:06 Uhr

(reh) So eine Sportlerehrung muss man sich wie eine umgekehrte Geburtstagsfeier vorstellen. Einer lädt ein, doch komischerweise verteilt er dann die Geschenke an alle, die er zu sich gerufen hat. Was ihn dabei natürlich vor die Herkules-Aufgabe jeder Feier stellt: Wer wird eingeladen, wer darf nicht kommen. Das kann verheerende Ausmaße annehmen. Denn wenn man dem einen zusagt, müsste man den anderen dann nicht auch nehmen? Aber wenn der kommt, dann bringt der sicher auch noch den dort mit. Man will niemanden vergrätzen, aber auch nicht immer die selben Gesichter haben. Und die bucklige Verwandtschaft aus Prinzip nicht.

Schon wird die ganze nette Idee zum Drahtseilakt. Denn die Zusammenstellung muss ja passen. Nicht dass einer alleine auf der Feier rumhängt, weil er keinen kennt. So wie es Johannes Wolf am Dienstagabend hätte gehen können. Der 22-jährige Ingolstädter ist es eigentlich gewohnt, auf sich selbst gestellt zu sein. Es ist sogar sein Beruf. Regelmäßig tritt er alleine einem aggressiven Gegner entgegen. Mit flinken Händen und Füßen gelingt es ihm hervorragend, den Gegenüber auf Distanz zu halten. Er ist sogar ein Meister darin, ein Weltmeister. Aber wenn ihm tatsächlich mal nach Flucht sein mag, dann verhindern Ringseile, dass der Kickboxer sich aus dem Staub macht.

So verloren wie im Historischen Sitzungssaal des Alten Rathauses ist sich Wolf aber wohl lange nicht mehr vorgekommen. Denn ansonsten war er Jahr für Jahr auf einem Familientreffen, wenn der OB den erfolgreichen Sportlern ihre Medaillen in die Hand drückte. Reihum gaben sich die Kickboxer die Klinke in die Hand. Dieses Mal musste sich Wolf aber einem Gegner in Überzahl stellen. Das war gemein. Aber das Sportamt wollte es einfach nicht anders. Es hat die Richtlinien für die Ehrungen angepasst. Weil so ein Familientreffen von Wolf und den Kickbox-Kollegen auf Dauer auch langweilig ist. Die brauchen etwas Nachhilfe in Olympiawissen, da sie selbst keine Olympischen Sportarten betreiben: Dabei sein, muss bei ihren Wettbewerben alles sein, sollten sie nicht einen herausragenden Titel erringen. Medaillen von der Stadt kriegen eher die Ingolstädter, die eine Sportart aus dem Olympiaprogramm machen.

Und siehe da: Nur Wolf als einziger Kickboxer war da. Dafür aber neue Partygäste. Vier Schützen der ZSG Bavaria Unsernherrn und drei Herren vom Schützenverein Edelweiß Rothenturm. Die einen waren mit der Armbrust auf bundes- und Landesebene erfolgreich, die anderen mit dem Unterhebelgewehr. Aus der Kickbox-Hochburg Ingolstadt wird also doch noch ein Spitzensportschützenstandort. Spätestens dann, wenn Armbrust- und Unterhebelgewehrschießen olympisch sind. Das könnte unseren Schätzungen zufolge bereits im Jahr 2032 soweit sein. Bis dahin hat sich Johannes Wolf sicher an das Einzelkämpferdasein im Alten Rathaus gewöhnt.