Leserbrief
Wie viel Kinderfreundlichkeit will sich Ingolstadt leisten?

17.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:56 Uhr

Zum Bericht "Plus 4,9 Prozent" (DK vom 11. Januar 2018). Darin wurde über die von der Stadt geplante Erhöhung der Gebühren für die Kindertagesstätten berichtet:

Die dritte Gebührenerhöhung innerhalb von 20 Monaten ist ein Affront gegen Kinder und deren Eltern. Bei den Verantwortlichen für die Bildung in Ingolstadt scheint die Bedeutung der frühkindlichen Bildung noch nicht angekommen zu sein. In einer Stadt, in der mittlerweile mehr als 50 Prozent der Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund stammen, sollte alles getan werden, allen Kindern den Zugang zur frühkindlichen Bildung zu ermöglichen.

Höhere Kita-Gebühren sind ein Armutszeugnis für das reiche Ingolstadt. Wie wäre es, Ingolstadt als Vorreiter in Sachen Bildungsgerechtigkeit zu positionieren und in Bayern die erste Großstadt zu werden, die auf Gebühren in Kitas verzichtet? Das wäre ein Zeichen! Was das arme Berlin sich leisten kann, müsste für das reiche Ingolstadt eine Selbstverständlichkeit sein.

Die Gebührenerhöhungen mit den gestiegenen Personalkosten zu begründen, ist mehr als abenteuerlich. Endlich bekommt eine unterbezahlte Berufsgruppe ein wenig mehr Geld - und dann muss ihre immer noch nicht üppige Bezahlung für die Erhöhung der Elternbeiträge herhalten. Wie erbärmlich ist das denn? Soll hier ein Keil zwischen die ErzieherInnen und die Eltern getrieben werden?

Das Amt für Kinderbetreuung und das dafür zuständige Kulturreferat wollen den Anteil der Eltern bei 18 Prozent der Kosten festschreiben. Wer hat das in Stein gemeißelt? Ich erwarte andere Vorschläge von den gut bezahlten Verantwortlichen. Höhere Kita-Gebühren sind ein Armutszeugnis.

Die Gebühren in den Kitas in einem Zeitraum von drei Jahren auf null herunterzufahren, wäre ein Zeichen in Richtung Erhöhung der Bildungschancen. Der Einstieg könnte im Oktober 2018 mit einer Senkung der Gebühren in den Kitas und Krippen gemacht werden.

Deshalb sollten die Stadträte den Vorschlag der Verwaltung verwerfen und ein mutiges Zeichen zur Abschaffung der Gebühren im frühkindlichen Bereich setzen. Ingolstadt könnte weit über Bayern hinaus ein Zeichen für Kinderfreundlichkeit setzen und so das mittlerweile arg ramponierte Image des Bürgerkonzerns Ingolstadt aufpolieren. Es wäre an der Zeit, positive Akzente zu setzen!

Manfred Lindner,

Ingolstadt

 

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€‡ Mir klingen die pathetischen Worte von Oberbürgermeister Lösel von der ach so sozialen Stadt Ingolstadt in seiner Rede beim Neujahrsempfang 2016 noch in den Ohren: Man wolle "von ganzem Herzen eine soziale Stadt sein" - welch ein Zynismus! Kaum ist der Protest zu insgesamt 30-prozentigen Gebührenerhöhungen zwischen Dezember 2015 und April 2016 abgeebbt, geht man nun dazu über, die nächste Raketenstufe zu zünden.

€‡ Man hatte die Hoffnung, dass nach all dem Unmut und vehementer Kritik bei den Damen und Herren in der Schaltzentrale nicht die Einsicht, aber eine gewisse Vorsicht und Zurückhaltung reifen würde. Aber nein, woher auch? Es wird weiter an der Kostenspirale für Familien und Eltern sowie Alleinerziehende gedreht. Nun also nochmals 4,9 Prozent! Und dann mit den wiederkehrenden Scheinargumenten: Von 2005 bis 2015 habe man ja die Kinderbetreuungsgebühren nicht erhöht, und diesen Fehler wolle man nicht wiederholen. Ja, das ist doch ein Zeichen dafür, dass man es seinerzeit gar nicht musste! Und wenn es um unsere Kinder geht, sollte man so eine Maßnahme doch ganz hinten anstellen, oder?

€‡ "Es hat Tariferhöhungen gegeben, die musste man als Gebührenerhöhung an die Kindeseltern weitergeben." Ja, hervorragend! Die einen verdienen zu wenig, die anderen müssen zu viel bezahlen für Kinderbetreuung. Den einen kann man sagen, wir haben so hohe Lohn- und Gehaltskosten - daher die Gebührenerhöhung, und der anderen Gruppe sagt man folglich: Unsere Einnahmen sind zu gering, daher keine Entgelterhöhung.

€‡ Und die Stadtkasse selbst? Von Rücklagen von 250 oder gar über 300 Millionen Euro ist die Rede. Was wäre eigentlich zu befürchten, wenn die besagten 18 Prozent Elternanteil an den Gesamtkosten nicht eingefordert würden? Eine finanzielle Schieflage? Wäre das zu viel des Guten für die Kinder, die unsere Zukunft bedeuten?

€‡ Will man allen Ernstes die Ausgaben für Kinderbetreuung und das damit einhergehende frühkindliche Lernen betrachten wie eine Vielzahl von anderen städtischen Kostenfaktoren, wo es gilt, möglichst günstig zu bleiben? Wie etwa bei Verwaltung, Müllabfuhr oder Wasserversorgung etc.? In vielen Städten wird schon an echten Gebührensenkungen gearbeitet. Wen es interessiert, der kann sich leicht informieren. Doch was machen unsere Granden bei der Kinderbetreuung? Sie entlarven sich selbst! "Setzen, Sechs!", sage ich.

Can Devrim Kum,

Ingolstadt