Humanitärer Verein?

07.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:15 Uhr

Zur geplanten Schließung der Caritas-Tagespflege in Großmehring:

Wenn man sich die Bilanz des Deutschen Caritasverbands aus dem Jahr 2016 qualifiziert anschaut, komme zumindest ich zu folgendem Ergebnis: Die Erträge lagen bei 167,8 Millionen Euro. Davon sind 74,8 Millionen Euro aus Zuschüssen von Bund und EU. Ergo finanzieren die Steuerzahler, auch die in Großmehring, den Verband zu knapp 45 Prozent. Gegen die Zuschüsse der Steuerzahler sind die der Kirchen in Höhe von nur 10,9 Millionen Euro lächerlich gering.

Wenn ein Wirtschaftsunternehmen die Interessen seines größten Kunden vernachlässigt, ist es diesen Kunden innerhalb kürzester Zeit los, und nicht selten würde Insolvenz die Folge sein. Bei einem hoch steuerfinanzierten Verband wie der Caritas darf anscheinend der größte Kunde, der Steuerzahler, ungestraft brüskiert werden. Im Beispiel Sozialstation Großmehring kann man demnach getrost die Frage stellen: "Wieso darf gegen die Interessen des größten Kunden, der Bürger von Großmehring, die Sozialstation geschlossen werden"

Die Antwort ist dem Bericht im DONAUKURIER vom 13. Oktober zu entnehmen. Die Geschäftsführerin der Caritas-Sozialstation Kösching bejammert ein jährliches Defizit von rund 50 000 Euro. Dieser Betrag ist bei 167,8 Millionen Euro Ertrag des Dachverbands als lächerlich abzuhaken. Das Bedauern um die Schließung der Station zum Ausdruck zu bringen, ist nett. Besser wäre, wenn die Geschäftsführerin dafür sorgt, dass die Station nicht defizitär bleibt. Das ist ihr Job, dafür wird sie bezahlt.

Der Vorsitzende des Caritas-Fördervereins Kösching verteilt mit seinem Kommentar "zu wenig Einnahmen, also schließen", wie ich meine, Ohrfeigen an den größten Financier der Caritas, uns Steuerzahler.

Aus den Kommentaren der genannten Beteiligten wird eines sehr deutlich: Die Caritas ist ein knallhart erfolgsorientierter Verband, der sich keinen Deut von den Praktiken börsennotierter Aktiengesellschaften unterscheidet! Sich als Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche auszugeben und sich ständig den Nimbus der Humanität aufzusetzen, passt in keiner Weise zu der komplett erfolgsorientierten Unternehmensphilosophie dieses Vereins. Das wird auch deutlich durch die clevere Aufteilung der Organisation mit rund 620 000 Beschäftigten auf etwa 8000 selbstständige Rechtsträger. So lässt sich gut der erforderliche Erfolgsdruck erzeugen, und man kann unkomplizierter auf negative Entwicklungen reagieren. Stellen wir uns einfach mal vor, Audi würde das Werk Ingolstadt in 30 Kleinunternehmen aufteilen, um defizitäre Einheiten leichter schließen zu können. Ich höre schon jetzt das Geschrei der Gewerkschaften, der Beschäftigten und der Bevölkerung.

Ich bin der Meinung, dass wir als Großmehringer Bürger die Caritas vor Ort mit unserer Stellung als Großfinancier konfrontieren sollten. Wir sollten auch auf den Tisch bringen, dass es bei lächerlichen Defiziten von 50 000 Euro pro Jahr, die durch erfolgreiche Geschäftsführung in Zukunft nicht sein müssen, absolut unnötig ist, die Station in Großmehring zu schließen. Ich kann mir auch vorstellen, dass der lächerliche Betrag übergangsweise aus den 31,6 Millionen Euro Rücklagen oder den zwölf Millionen Vereinsvermögen des Dachverbands gedeckelt werden könnte. Das passt vielleicht nicht zu den betriebswirtschaftlichen Zielen, aber sicher zu den humanitären!

Hans Schmitt, Großmehring