Ingolstadt
Keine Informationen und dennoch dagegen

19.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:55 Uhr

Leserbrief zu "Wir wollen keinen Nationalpark" (DK vom 1. Juni), worin es um einem möglichen Nationalpark Donauauen und den Protest dagegen geht, und anderen Artikeln.

Ich kann es nicht nachvollziehen, wenn Menschen auf die Straße gehen und gegen etwas demonstrieren, wenn sie nur Vermutungen hegen. Menschen wie bei dem Protest in Weichering, die selbst zugeben, nicht informiert worden zu sein, und deswegen einfach mal dagegen sind. Ich kann es überhaupt nicht verstehen, wie man Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf oder Landrat Roland Weigert, die sich einer Diskussion stellen wollen, mit einem Pfeifkonzert empfangen kann und sie immer wieder niederpöbelt, wenn sie die Stimme erheben wollen. Was ist das bitte für eine unverschämte Art und Weise? Das ist Kindergartenniveau und kann kaum zu einer erwachsenen Diskussion auf Augenhöhe führen.

Es hat sich gezeigt, dass kein Privatbesitzer enteignet werden soll, wohl aber eine Freiwilligkeit zur Teilnahme und Unterstützung des Naturschutzes willkommen sein soll. Dass der Bauernverband gegen "Landfraß" ist, lässt mich tatsächlich laut auflachen. Millionen gehen bei der Öffnung neuer Baugebiete oder Industrieparks in die Taschen von bäuerlichen Landbesitzern. Wer ist denn aus dem Bauernverband für die Abschaffung von Spritzgiften oder für die Neuverteilung von Subventionen, wenn es um den Aufbau ökologischer Landwirtschaft geht? Wo sind denn die riesigen Naturschutzflächen, von denen es angeblich schon genug gibt? Ich sehe nur Felder, die bis an den Straßen- oder Waldrand reichen und keinen Platz mehr für einen Blühstreifen lassen. Aber die Insekten sind ja eh schon totgespritzt, und Vögel braucht ja auch keiner. . .

Ein paar Fakten: Der Anteil der Naturschutzflächen in Bayern lag 2015 bei 2,3 Prozent der Gesamtfläche. Der deutsche Durchschnitt liegt bei 3,9 Prozent. Allein Niedersachsen hat beispielsweise 4,3 Prozent ausgewiesen.

Am Tag wird in Bayern eine Fläche von 25 Fußballfeldern, das sind 18 Hektar, versiegelt. Damit gehört der Freistaat zu den Spitzenverbrauchern in Deutschland. Herr Söder möchte die Ausweisung von Gewerbegebieten sogar noch weiter lockern. Was das für den Naturschutz bedeuten würde, kann sich jeder vernünftig denkende Mensch ausrechnen. Das Bayerische Landesamt für Umwelt hat bereit im Jahr 2007 veröffentlicht, dass 47 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen in Bayern bereits versiegelt sind. Dieses Jahr sollen neue Zahlen kommen.

Ich kenne keinen Waldbesitzer, der ausschließlich vom Holzverkauf lebt. Wohl kenne ich aber etliche, die laut und hysterisch werden, wenn Muff-lons oder Rehe an Gräsern oder jungen Trieben knabbern und etwas Rinde, warum auch immer, vom Baum platzt. Wenn aber enorme Rückeschäden im Wald bei Baumfällarbeiten verursacht werden oder der Harvester (ein Holzvollernter) den Boden auf eineinhalb bis zwei Metern verdichtet, wird tolerant darüber hinweggeschaut.

Geht es darum, jedes Jahr mehr Geld zu verdienen, oder kann man sich einfach mal dankbar und demütig zeigen, dass wir satt und sicher leben dürfen? Wichtig ist mir, dass es Ausnahmen bei Landbesitzern gibt, die sich extrem rührend um Naturschutz bemühen, die gut mit vernünftigen Jagdpächtern zusammenarbeiten und ein gleiches ethisches Verständnis im Umgang mit Flora und Fauna haben.

Die Masse der Bürger würde sich über einen dritten Nationalpark sehr, sehr freuen! Ein kleines Fleckchen, an dem wir die Natur einfach machen lassen können. Staunen und lernen und ein bisschen ein gutes Gewissen haben. Es gibt Dinge im Leben, die sind gut, wie sie sind. Und der Mensch kann da einfach mal "nichts tun". Ich bin sehr gespannt, ob sich in der Frage "pro oder kontra Nationalpark" eine kleine Gruppe von Menschen mit lautem Gepolter bei den Politikern durchsetzt. Das würde meinen Glauben an die Demokratie in bayerischen Landen stark reduzieren.

Ninja Winter, Ingolstadt