Kopftuch im Fitnessstudio: Eine Frage der Toleranz?

21.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:27 Uhr

Zum Artikel "Training für Toleranz" (DK vom 10. März), worin es um einen KopftuchStreit in einem Ingolstädter Fitnessstudio ging :

\tHier stellt sich die Frage, wer wann tolerant sein soll: Die Menschen, die in einer Kultur ohne Kopftuch seit Jahrhunderten leben, oder die, die sich in ihrem Wahlheimatland wie in ihrem Heimatland bewegen möchten?

Jeder Christ ist weltweit aufgerufen, sich gegenüber anderen Religionen respektvoll und angepasst zu verhalten und zu zeigen. Nicht mehr und nicht weniger wünschen auch wir uns von Muslima. Ich kenne etliche wunderbare Frauen und Männer muslimischen Glaubens. Die Frauen tragen kein Kopftuch und leben trotzdem ihren Glauben, übrigens mit einer selbstverständlichen Unterstützung ihrer Männer, Familien und Freunde. Wir diskutieren über die Unterschiede und stellen jedes Mal fest, "Hey - wir glauben doch an denselben Gott!" Und das tut gut. Auch kenne ich viele Deutsche, die freiwillig in Länder reisen, in denen sie sich verhüllen müssen. Ich kenne auch viele, die genau aus dem Grund in solche Länder einfach nicht fahren.

Ich finde es gut, wenn Volker Beitler (Anm: Inhaber des Studios) sogar Alternativen vorschlägt. Schade, wenn es da keinen Kompromiss seitens Eman Sobh (Anm: Kundin, die mit Kopftuch trainieren möchte) zu geben scheint. Ich finde es wunderbar, wenn qualifizierte Menschen so wichtige Arbeitsplätze wie Frau Sobh als Ärztin besetzen. Sie hat sich entschieden, in Deutschland ihre Kenntnisse und ihre Passion einzusetzen. Schade, wenn man dann eine Diskriminierung spürt, wenn man sich nicht mit allen persönlichen Wünschen durchzusetzen kann.

Wenn jemand zum Beispiel bei der Polizei arbeiten möchte, weiß er/sie, dass keine sichtbaren Tattoos vorhanden sein dürfen. Bei einigen Berufsgruppen gibt es eine Mindestgröße oder einen maximalen Bodymaßindex (BMI). Die Bewerber akzeptieren diese Vorgabe. Wenn ich mich in fremden Ländern, nicht nur muslimischen, nicht adäquat verhalte oder kleide, komme ich in bestimmte Kulturstätten nicht rein oder darf mich nicht wundern, wenn ich von Männern belästigt werde, weil ich mich nicht verhülle. So hat jedes Land seine Sitten und Gebräuche. Wer wann intolerant ist, mag jeder für sich selbst beantworten.

Ich lebe gerne in Deutschland und freue mich, wenn es in meinem Fitnessstudio Regeln des Anstandes gibt. Die kann jedes Studio selbst bestimmen, und danach kann sich jeder Kunde sein Studio aussuchen. Es gibt in Ingolstadt sehr, sehr viele Alternativen. Ninja Winter, Ingolstadt

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Ich finde die Haltung von Volker Beitler verständlich und unterstütze diese voll. Es gibt Regeln aus gutem Grund und die sollten auch wie beschrieben von allen eingehalten werden, unabhängig von Glauben oder Herkunft. Einen Rechtfertigungsgrund für Ausnahmen der ohnehin großzügigen Kleiderordnung für Einzelne sehe ich da nicht gegeben. Ich konnte schließlich auch nachvollziehen, dass zum Beispiel Muskelshirts an den Geräten nicht unbedingt förderlich für die allgemeine Hygiene sind - und halte mich seither wie alle anderen auch gerne daran. Das ist doch im Sinne aller Mitglieder und nicht zuletzt eine Frage des gegenseitigen Respekts und der Achtung!

Ob Muskelshirt, Badelatschen oder Kopftuch spielt doch keine Rolle. Verletzte Grundrechte kann ich persönlich darin nicht erkennen. Andersrum sehr wohl, wenn sich die Masse aufgrund Einzelner unwohl und eingeschränkt fühlt. Der Dame wurden Alternativen angeboten, die sie offensichtlich ausgeschlagen hat. Ein Umstand, der mir unverständlich ist.

Der Vorwurf mangelnder Toleranz wird sicherlich weder dem Fitnessstudio gerecht noch seinen Betreibern!\t\t

Frank Kutschera, Ingolstadt

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Ich selbst bin seit über zehn Jahren Mitglied im LifePark Max und kenne seitdem Volker Beitler als jemanden, für den Toleranz und der Versuch, es möglichst allen recht zu machen, oberste Geschäftsphilosophie ist. Gerade ihm Diskriminierung vorzuwerfen ist absurd, wenn man erlebt, welche kulturelle Vielfalt in diesem Studio herrscht. Er hat aber nicht nur das Recht, sondern auch die teilweise unangenehme Pflicht, im Rahmen seines Hausrechts dafür zu sorgen, dass der Stil des Studios dem entspricht, was die Mehrzahl der Mitglieder seiner Meinung nach erwartet. Somit ist es eben nicht die Privatsache der Frau Sobh, zu tragen, was sie will. Der Vergleich, dass Touristen in Ägypten topless am Stand liegen, ist hier völlig fehl am Platz! Man müsste es ihnen ja nur verbieten. Das tut man nicht, also ist es faktisch erlaubt. Ich habe bei meinen Urlauben in Ägypten noch nie erlebt, dass Touristen darauf angesprochen worden wären! Die Ablehnung des Kompromisses, mit einem kleineren, sportlichen Kopftuch zu trainieren, das genauso ihrem Anspruch auf Verhüllung genügt hätte, kann man nur als Provokation werten! Sie unterstellt damit Rassismus, und das ist unerhört. Solche bewusst oder unbewusst provozierten Aktionen helfen einer erfolgreichen Integration nicht weiter, sondern fördern nur das Unverständnis der Bevölkerung gegenüber Muslimen. Ich verstehe nicht, warum man aus dieser Aktion eine Affäre machen muss. Warum kann die Frau nicht einfach eine Vorgabe akzeptieren, die ihr das Kopftuch nicht mal verbietet? So fördert man Verärgerung gegenüber Muslimen und den Zulauf zu rechtspopulistischen Parteien! Ist das etwa gewollt? Darüber sollte man sich vorher mal Gedanken machen!\t\t\t\t\t\tClaus Bechmann, Gaimersheim

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Es ist schon merkwürdig: Ein spezielles buntes Kopftuch, der Hidschab, von Eman Sobh geht ohne Weiteres bei der Arbeit im Klinikum, geht aber nicht ein paar Meter weiter in einem Fitnessstudio am Westpark. Herr Beitler denkt, so ein Kopftuch könne auf seine anderen Kunden "befremdlich" wirken und sei womöglich nicht "hygienisch". Denkt er vielleicht, im Klinikum spiele Hygiene keine Rolle? Denkt er, ein Kopftuch könne man nicht waschen? Würde er es auch "befremdlich" finden, wenn Frau Sobh ihm oder seiner Familie im Klinikum ärztliche Hilfe leisten würde? Würde er dann sagen: "Nicht mit Kopftuch"

Ich trainiere seit 14 Jahren in einem Studio für gesundheitsorientiertes Krafttraining in der Levelingstraße. Dort trainieren 14-Jährige und 80-Jährige, Dicke und Dünne, Unfallopfer mit Querschnittslähmung, viele Menschen mit Rückenproblemen und viele Ärzte. Von Zeit zu Zeit sehe ich dort eine vollschlanke, schwarz gekleidete ältere Dame mit Rock über den Hosen und Kopftuch trainieren. Genauso selbstverständlich wie alle anderen. In diesem Studio macht jeder zügig sein Gerätetraining, duscht und geht wieder. Man kümmert sich nicht umeinander, sondern um sein Training.

Ich behandle in meiner Allgemeinpraxis auf dem Dorf alle: ob sie ein Kopftuch tragen oder nicht. Andererseits ist Herr Beitler wohl schon ein Stückchen auf Frau Sobh zugegangen mit der Frage nach einem kleineren, sportlicheren Kopftuch (der Vorschlag der Sportartikelfirma Nike scheint durchaus interessant). Darauf ist wiederum Frau Sobh nicht eingegangen.

Sir Peter Ustinov, der ein wichtiges Buch über Vorurteile geschrieben hat, sagt: "Die wichtigste Fortbewegungsart des Menschen ist es, dem anderen auf halbem Wege entgegenzukommen." Vielleicht hätte die Ärztin für das Stündchen, das sie trainiert einen Kompromiss schließen können? Unser ganzes Leben ist ein Training für Toleranz, ein ständiges Lernen von Neuem. Es würde uns viel Leid und Ärger ersparen, wenn wir öfter mal anderen Menschen auf halbem Wege entgegenkämen. \t\tAnton Wohlfahrt, \t\t\tFacharzt für Allgemeinmedizin,

Ehekirchen