Schule kein Ort für Freizeitgestaltung

23.11.2009 | Stand 03.12.2020, 4:28 Uhr

Zu "Gerät die offene Jugendarbeit ins Abseits" (DK vom 14. November):

Es wäre fatal, wenn die offene Jugendarbeit mit ihren freien Trägern ins Abseits geraten und hin zu den Schulen gehen würde. In freier Trägerschaft kann nämlich die eigentliche Kinder- und Jugendarbeit geleistet werden, die an Schulen in diesem Ausmaß gar nicht möglich ist. Freie Träger können ein vielfältiges Angebot bieten, wozu eine bürokratisch-staatliche Einrichtung nicht imstande sein kann. Ganz abgesehen davon, dass Schule ein sensibler Ort ist, an dem Kinder und Jugendliche zwangsläufig auch Frust aufladen (etwa wegen schlechter Noten oder Prüfungen). Psychologen betonen schon lange, dass der Ort, an dem gelernt wird, nicht zugleich auch Ort der Freizeitgestaltung sein soll.

Was aber das Entscheidende ist: Es liegt im Charakter einer bürokratisch organisierten Ganztagsschule, dass der Kinderalltag mit planvollen, angeleiteten Aktivitäten gefüllt wird. Ein Kind, ein Jugendlicher in der Ganztagsschule ist den ganzen Tag unter fachlicher Aufsicht; alles, selbst die Freizeitgestaltung, ist durchorganisiert, es bleibt kaum Raum für echte Spontaneität. Planvolle, angeleitete Aktivitäten dürfen aber nicht mit dem Kindern und Jugendlichen so wichtigen Spiel verwechselt werden.

Es liegt in der Natur des Spielens und der Freizeitgestaltung, dass Kinder spontan etwas "aus sich heraus" entwickeln können. Wenn der Tagesablauf eines Kindes strukturiert ist, bleibt keine dem Spiel eigentümliche Spontaneität. Psychologie und Hirnforschung wissen aber heute, dass gerade ausgelassenes, nicht geplantes Spielen ohne Vorgaben die Sprachentwicklung, soziale Kompetenz, Kreativität und das Problemlösungsvermögen fördern – und nicht geplante, angeleitete Aktivitäten. Es scheint vielen Planern (und aus Sorge, dass der Nachwuchs die richtige Schule schafft, auch vielen Eltern) nicht klar zu sein, worin sich aber Hirnforscher und Psychologen einig sind, wie sehr es dem Kind schadet, wenn es zu wenig Zeit zum freien Spielen und Herumtollen hat. So geht der Versuch, Jugendarbeit durch vermehrten Zugriff der Stadt bzw. des Staates zu betreiben, auf Kosten der Kinder und Jugendlichen.

Für Kinder und Jugendliche, für die eine ganztätige Obhut wünschenswert und vielleicht auch notwendig ist, müssen andere Modelle in der offenen Kinder- und Jugendarbeit entwickelt werden, wie etwa die außerschulische Ganztagsbetreuung (nicht Schule!), in der auch ein unentbehrliches "Ablästern" über Schule und Lehrer möglich ist. Wenn die Stadt ihren Kindern und Jugendlichen etwas "Gutes" tun will, dann fördert sie die offene Jugendarbeit mit ihren freien Trägern, deren ehrenamtliches Engagement unersetzlich ist.

Hermann Hobmair

Ingolstadt