Die Krüge hoch

Ingolstadt feiert das Jubiläum "500 Jahre Reinheitsgebot für Bier" eher mittelprickelnd

29.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:51 Uhr

Frisch aus dem Bierbrunnen: ein Jubiläumsfestbesucher im April. - Foto: Eberl

So etwas hat die Welt bestimmt noch nicht gesehen: einen Bierbrunnen mit Lichtschranke und künstlerischem Anspruch. Auf dem Relief aus Bronze prosten sich fröhliche Zecher mit Krügen zu. Wer sich dem Werk an der Fassade des Georgianums nähert, löst das Signal aus, und der Bierbrunnen speit . . . Wasser.

Ganz klar. Was auch sonst? Alkoholische Dauerberieselung in der Öffentlichkeit ist natürlich weder zu finanzieren noch zu verantworten; das Kulturamt, das den Bierbrunnen von der Neuburger Künstlerin Alexandra Fromm hat kreieren lassen, muss so manchen Bierfreund ziemlich enttäuschen. Außer, man hat den Schlüssel für die Hebel einer Spezialvorrichtung, die in der Tiefe des Georgianums verborgen ist. Sie erlaubt das Ausschenken von Freibier - freilich maßvoll, schließlich bedient hier sozusagen die öffentliche Hand den Zapfhahn.

Das feierliche Erstanzapfen am Bierbrunnen mit Braumeister Peter Kraus leitet den Festreigen zum 500. Jubiläum des Reinheitsgebots - verkündet zu Ingolstadt an Georgi (23. April) 1516 - recht süffig ein. Streng genommen wurde die Bierverordnung des bayerischen Herzogs Wilhelm IV. gar nicht verkündet und ihre Gültigkeit war auch nicht von nennenswerter Dauer - aber egal, ein Bierfest ist schließlich kein akademisches Hauptseminar. Und seit der Jahrestag als "Fest zum Reinen Bier" zwischen Hoher Schule und Georgianum (sowie in dessen Fasshalle) begossen wird, ist es immer ein rechter Spaß. So auch heuer. Gut, der Festumzug am Eröffnungstag fällt etwas kurz aus (nach knapp zwei Minuten sind alle vorüber) und überdies mittelalterlich karg (ohne Blasmusik und Trachtler), aber das ist so historisch-kritisch gewollt. Die beliebten Herolde Oswin Dotzauer (Herzog Wilhelm), Michael Klarner und Nick Gohlke verkünden und verkünden und verkünden das Gebot. Sogar die Bundeskanzlerin folgt dem Ruf des Bieres nach Ingolstadt. Allerdings bleibt Angela Merkel dem Trubel fern und stößt in interner Runde mit den Repräsentanten des Deutschen Brauerbundes an, die sie eingeladen haben.

Zwischen April und Oktober dreht sich in der Stadt einiges um das reine Bier. Es hätte etwas mehr sein können, merken Kritiker an, die das Festprogramm der Stadt nicht zum Schäumen bringt. Ein Ingolstädter Bürgerfest der klassischen Art gibt es nicht, nur eine Sparversion zwischen Kreuztor und Neuem Schloss Anfang Juni, Zam-Fest genannt. Ob die speziellen Vorträge, Konzerte, Museumsführungen, Stadtrundgänge und Brauereitouren, die zur Ehre des berühmten Reinheitsgebots angeboten werden, dessen Weltrang gerecht werden und die Ingolstädter das riesige Marketingpotenzial wirklich ausschöpfen, darüber lässt sich trefflich streiten. Zum Beispiel bei einem guten Bier.