"Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus"

04.05.2008 | Stand 03.12.2020, 5:56 Uhr

Gegen Rechtsextremismus demonstrierten am Samstag diese Bürger aus Karlskron. Die spontane Kundgebung, an deren Spitze Bürgermeister Kothmayr und einige Gemeinderäte standen, verlief friedlich. - Foto: Rössle

Ingolstadt/Mändlfeld (DK) Die ländliche Idylle südlich der Stadtgrenzen von Ingolstadts scheint auf den ersten Blick perfekt: Es ist Samstagnachmittag, und die Menschen arbeiten im Garten oder genießen einfach ihren freien Tag in der wärmenden Sonne. Doch wer von Brautlach nach Mändlfeld fährt, sieht sich unvermittelt mit Schildern mit der Aufschrift "Nazis raus" und einem Aufgebot von einem Dutzend Polizisten konfrontiert.

Am Eingang der Wirtschaft bietet sich das für politische Auseinandersetzungen dieser Art vertraute Bild: Die NPD-Anhänger sitzen in der Kneipe oder postieren sich rauchend am Eingang, auf der anderen Straßenseite stehen die Demonstranten mit ihren Plakaten und Transparenten. Dazwischen sind die Polizei und der Verfassungsschutz, die beide Gruppen voneinander abschirmen: Zwei Dutzend Polizisten für insgesamt 35 Rechtsextreme und 50 Demonstranten. "Wir wollen nur, dass die Spielregeln eingehalten werden", sagt Jürgen Schermbach von der Polizeidirektion Ingolstadt.

Zwischen beiden Lagern herrscht Funkstille. Doch man beäugt sich gegenseitig ganz genau. Unter den NPD-Anhängern, die bis zum Beginn der Veranstaltung um 18 Uhr allmählich eintrudeln, sind viele jugendliche Glatzköpfe, teilweise auch tätowiert und an szenetypischen Klamotten wie beispielsweise Shirts der Marke Lonsdale unschwer als Vertreter der extremen Rechten zu erkennen. Die älteren NPD-Sympathisanten sehen dagegen ganz normal aus. Und dann gibt es da noch zwei, drei Leute mit Anzug und Krawatte, die in der rechten Szene nur zu gut bekannt sind: Einer davon ist Udo Voigt, NPD-Bundesvorsitzender, der andere der Münchner NPD-Stadtrat Karl Richter. Doch ob Glatzkopf oder Krawattenträger: Man kennt sich offenbar untereinander in der rechten Szene und begrüßt sich freundschaftlich.

Auf der Seite der ersten Demonstranten gegen die NPD-Versammlung sind die meisten gewerkschaftlich aktiv oder politisch im linken Spektrum angesiedelt, wie etwa die beiden neuen Ingolstädter Stadträte Ulrike Hodek und Jürgen Siebicke, Manfred Lindner aus Kösching oder die später hinzugekommene Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter und Fritz Schmalzbauer vom Bundesvorstand der Linken. "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen", ist auf einem Transparent zu lesen. Der Rest ist Warten. "Das könnte so schön sein, wenn man wenigstens was trinken könnte", sagt lachend ein Demonstrant.

Gut eine Stunde tut sich praktisch überhaupt nichts. Bis dann auf einmal eine zweite Gruppe von Demonstranten sich der Wirtschaft nähert. Verwirrung macht sich breit, denn damit hat niemand gerechnet. Noch größter ist die Überraschung, als sich herausstellt, dass der Karlskroner Bürgermeister Friedrich Kothmayr und einige Gemeinderäte an der Spitze der Demonstration stehen, der sich eine Reihe von beherzten Bürgern, darunter auch Jugendliche, angeschlossen haben. "Das ist eine spontane Kundgebung", erklärt Kothmayr auf Nachfrage der Polizei. "Wir wollen damit zum Ausdruck bringen, dass wir mit diesem braunen Sumpf nichts zu tun haben wollen."

"Nie wieder braun", "Karlskron gegen Rechtsradikalisus" oder "Rechts nein danke" ist auf den Plakaten zu lesen, die die Menschen auf die Schnelle geschrieben haben. Ein gewalttätiges Potenzial kann Schermbach bei den Demonstranten nicht erkennen, er genehmigt die Kundgebung.

Auf gut 50 Teilnehmer ist die Zahl der NPD-Gegner damit angewachsen. Zur allgemeinen Freude bringen zwei Frauen kurze Zeit später auf einem Leiterwagerl Getränke für alle Demonstranten. "Das spendiert die Wirtsstraße", sagt eine der Frauen.

Als dann gegen 18 Uhr die NPD-Versammlung im Saal der Kneipe beginnt, halten die Wortführer der Gegendemonstration draußen ein paar kurze Reden. Schmalzbauer fordert ein Verbot der NPD und warnt vor der Gefahr der Verharmlosung. " Wir wollen keinen Radikalismus", betont Bürgermeister Kothmayr, der sich dafür einsetzen will, dass dies die letzte Veranstaltung dieser Art in Karlskron gewesen ist. An den Schwur von Buchenwald erinnert zum Abschluss Johanna Wittmann vom Bund der Verfolgten des Naziregimes: "Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus."