Wenn Weihnachten zum Albtraum wird

21.12.2007 | Stand 03.12.2020, 6:15 Uhr

Ingolstadt (DK) In Ingolstadt leben rund 3000 Kinder von je 208 Euro Sozialgeld im Monat. Auch Martina G. (Name geändert) und ihre Kinder gehören zu den Hartz-IV-Empfängern. Sie leben in einer Welt, die von Armut geprägt ist.

Martina G. sitzt auf der Eckbank in ihrer kleinen Küche. Vor ihr steht eine Tasse Kaffee. Die 47-Jährige wohnt seit dem Frühjahr mit einer Freundin in einem Reihenhaus. Zusammen haben sie fünf Kinder im Alter von fünf bis 19 Jahren. Eine ältere Tochter ist bereits ausgezogen. "Für mich ist es das Schlimmste, dass ich den Kindern nichts bieten kann", sagt die Mutter leise. Ausflüge ins Kino oder ins Wellenbad sind nicht möglich, da sie die finanziellen Möglichkeiten der Familie übersteigen.

Martina G. hat Rechtsanwaltsgehilfin gelernt. Ihre erste Ehe ging in die Brüche, ihr Mann war Alkoholiker. Auch Martina ließ sich zeitweise in den Sumpf mit hineinziehen. Die zweite Ehe schloss sie mit einem kleinen Napoleon. "Er war rechthaberisch und auch gewaltbereit."

Doch finanzielle Probleme gab es nicht: "An so etwas habe ich damals nicht gedacht. Wenn etwas gebraucht wurde, habe ich eben die Karte gezückt. Wir gehörten zum gut situierten Mittelstand." Doch auch die zweite Ehe ging in die Brüche. Martina bekam Alkoholprobleme, hatte verschiedene Bekanntschaften, die der Trinkerei nicht abgeneigt waren. Aber sie wusste, dass es so nicht weiter gehen kann: "Ich dachte mir: Du hast einen kleinen Sohn, auf den musst du achten." Sie hat ihr Leben wieder in den Griff bekommen und ist jetzt trocken.

Bei der Tafel lernte sie Angelika kennen, die auch eine schwierige Vergangenheit hat. "Ich war sieben Jahre verheiratet. Er hat mich und die Kinder geschlagen. Deshalb bin ich mit gepackten Taschen abgehauen." Erst lebte sie von Sozialhilfe, dann arbeitete sie in einer Tankstelle. Während der Nachtschicht hatte sie ihre kleine Tochter, die damals noch ein Baby war, mit hinter der Theke. Ihre zwei anderen Kinder mussten wegen des prügelnden Vaters in Therapie. Im Moment hat sie wieder einen Job, bekommt aber zusätzlich Hartz IV, da der Verdienst so niedrig ist.

Die fünf Kinder besuchen die Schule. Dort sehen sie die anderen Kinder – und was sie alles bekommen. "Wenn die ein neues Spielzeug haben, können wir es eben erst ein Jahr später gebraucht kaufen", sagt Martina. Der Flohmarkt oder Discountläden helfen sehr: "Einen großen Teil der Einrichtung haben wir dort gekauft. Auch die Kleidung für die Kinder holen wir da, oft sind das sogar Markenklamotten für ein paar Euro."

Ihre Lebensmittel bezieht die Familie zum Teil von der Tafel. Egal, was dort in den Tüten landet: "Ich mach aus allem etwas", sagt Martina. So werden Osterhasen aus Schokolade schon mal zur Kuchenglasur. "Wir ernten zum Beispiel auch nach und holen die restlichen Kartoffeln selbst vom Feld."

Eine große Unterstützung war Pfarrer Stefan Göller von der Canisius-Pfarrei in Ringsee, der Mitte August gestorben ist. Als drei Kinder an der Kommunion teilnahmen, erließ er ihnen die Kosten für die Kutten. Manchmal stand Göller auch einfach so vor der Tür und brachte kleine Aufmerksamkeiten.

Eines ist jedenfalls klar: "Übrig bleibt am Ende des Monats nichts vom Geld, damit man etwas sparen könnte", betont sie. "Büchergeld muss ich zwar nicht zahlen. Allerdings wird man quasi als arm geoutet, weil man seinen Sozialbescheid vorlegen muss", klagt Martina.

Großes Grausen weckt bei ihr auch das Weihnachtsfest: "O je, das wird schrecklich!" Vor Heiligabend lebt die Familie immer sehr sparsam, damit man sich am Festtag etwas gönnen kann. "Wir holen Fleisch vom Schlachthof, oder unser Nachbar hat manchmal auch einen großen Fisch für uns."

Um den Kindern das Warten zu versüßen, werden Adventsgeschichten gelesen. Und der Nikolaus brachte keine Süßigkeiten, sondern nützliche Dinge wie eine Uhr.