Fünf Experten gegen die Angst

16.11.2007 | Stand 03.12.2020, 6:20 Uhr

Das Sonderpädagogische Beratungsteam: (v. l.) Beate Sieber (Fachbereich Verhalten), Andreas Schultes (Fachbereich geistige Entwicklung), Gabi Gabler (Fachbereich Motorik), Evelyn Sporer (Fachbereich Lernen) und Bernhard Bauer (Fachbereich Sprache). - Foto: Silvester

Ingolstadt (DK) Seit einem Jahr unterstützt das Sonderpädagogische Beratungszentrum Eltern und Erzieher bei Problemen mit Kindern, die spezieller Förderung bedürfen. Das fünfköpfige Team deckt alle Fachbereiche der Sonderpädagogik ab, bietet diagnostische Hilfe und koordiniert zusätzliche Maßnahmen.

Bevor sich die Experten um die Kinder kümmern, müssen sie sich oft zuerst der Eltern annehmen. Denn der Weg zu einer sonderpädagogischen Beratung wird oft von zähen Klischees, bösen Vorbehalten und diffusen Ängsten versperrt, die um das kreisen, was früher einmal "Sonderschule" und noch viel früher "Hilfsschule" hieß.

"Manche Eltern haben Angst, dass ihr Kind auf eine Förderschule muss, wenn sie sich bei uns melden", erzählt Bernhard Bauer, der mit drei Kolleginnen und einem Kollegen aus allen Bereichen der Sonderpädagogik als Ratgeber tätig ist. Genau das Gegenteil sei der Fall: "Unser Ziel ist es gerade nicht, so viele Kinder wie möglich zu uns zu holen", betonen die Förderschullehrer. "Wir wollen die Regelschule stärken."

Das Team bietet nicht nur kompetente Ansprechpartner bei Auffälligkeiten in den Bereichen Sprache, Motorik, Lernen, Verhalten und geistige Entwicklung, die Lehrerinnen und Lehrer verstehen sich auch als Koordinierungsstelle für Fördermaßnahmen. "Wir geben Tipps, weisen auf medizinische Wege hin, nennen außerschulische Hilfen und vermitteln Kontakte zu heilpädagogischen Einrichtungen", erklärt Bauer, Lehrer an der Sprachheilschule. "Oder allgemein gesagt: Wir helfen Eltern und Kindern, mit den Problemen in der Schule und im Alltag zurecht zu kommen."

Alles außer Medizin

Eines liefern die Berater ganz bewusst nicht: medizinische Diagnosen. Wohl aber pädagogische. In der Praxis sieht das so aus: Bei Anfragen sammeln die Lehrer zuerst so viel Information wie möglich. "Wir klären ab, was schon alles bei den Kindern an Maßnahmen erfolgt ist", sagt Beate Sieber, die Konrektorin der Petrus-Canisius-Schule. Bei Bedarf werden die Eltern gebeten, Schulhefte der Kinder mitzubringen, damit die Pädagogen daraus ihre Schlüsse ziehen können. "Wir ermitteln die Basis des Leistungsvermögens", erklärt Sieber. "Wenn zum Beispiel jemand im Zehnerraum immer noch Probleme hat, dann kann er auch nicht bis zur Million rechnen." Dann gibt sie "Tipps für häusliche Übungen" und nimmt – selbstverständlich nur auf Wunsch der Eltern – mit der Schule Kontakt auf. Doch allzu oft bedarf es einfühlsamer vertrauensbildender Maßnahmen. "Dass wir helfen können, ist auch eine Frage des Akzeptierens", berichtet Gabi Gabler, Lehrerin an der Johann-Nepomuk-von-Kurz-Schule für Kinder mit körperlicher Behinderung. "Aber sie müssen eben begreifen: Ja, so isses nun mal!"

Noch schwieriger sei die Annäherung an Rat Suchende bei Fragen der geistigen Entwicklung, erzählt Andreas Schultes, Lehrer im Caritaszentrum St. Vinzenz. "Wir müssen viel Verständnis wecken. Eine geistige Behinderung zu akzeptieren ist ein Prozess, der Jahre dauert. Schließlich ist der Betroffene ein Leben lang auf Hilfe angewiesen." Daher sei es eine der ersten Aufgabe zu klären: "Welche Fähigkeiten hat das Kind? Und wo kann man Druck von ihm wegnehmen"

Evelyn Sporer, die Konrektorin der Don-Bosco-Schule, fügt hinzu: "Eine Behinderung wird von vielen leider nach wie vor als Stigmatisierung gesehen."

Es sind nicht nur Eltern, die sich an das Beratungszentrum wenden. Auch Lehrer und Erzieherinnen rufen öfter an, berichtet das Team. Natürlich grundsätzlich ohne die Namen von Kindern zu nennen. Es sei denn, die Eltern haben sie von der Schweigepflicht entbunden. "Wenn etwa eine Kindergärtnerin feststellt, dass ein Kind mit einigen Lauten Probleme hat, rät sie den Eltern, bei uns anzurufen", sagt Bauer. "Wir machen dann einen Termin aus und überlegen, was zu tun ist." Und noch eine Hilfestellung hat das Beratungszentrum im Angebot: "Wir weisen den Weg durch den Behördendschungel des Schulsystems", verrät Gabi Gabler.

Auch bei diesem Ziel ist professionelle Unterstützung meist nötiger, als viele glauben.