Zehenthof als Ort der Kleinkunst

27.07.2009 | Stand 03.12.2020, 4:47 Uhr

Musik im Zehenthof: Der Open-Air-Sommerabend, den der Kardiologe Bernhard Kehrwald (vorne) organisiert hatte, ist ein voller Erfolg. Künftig sollen hier öfter kulturelle Veranstaltungen stattfinden. - Fotos: Rössle

Ingolstadt (DK) Über 300 Menschen sitzen dicht gedrängt im Zehenthof. Dieser Anblick ist in dem Innenhof in der Altstadt selten. Immer mehr Läden stehen dort leer. Aber vielleicht wird der Zehenthof bald ja ein Ort der Kleinkunst. Der Open-Air-Sommerabend am Samstag jedenfalls war ein voller Erfolg.

"Das hat sich gelohnt, dass wir hierher gekommen sind", sagt eine ältere Dame zu ihrer Bekannten. Als der Kardiologe und Sänger Bernhard Kehrwald, mit seiner Praxis selbst Mieter im Zehenthof, fröhlich singt: "Der Onkel Doktor hat gesagt, ich darf nicht küssen", ist die Stimmung auf dem Höhepunkt. Nicht nur das Publikum im gesetzteren Alter ist von den alten Schlagern, Tangos von Astor Piazzolla und Gedichten entzückt, die Kehrwald (Gesang), Christian Ledl (Klavier), Daniela Mayer (Violoncello), Annette Berger (Akkordeon) und Emmy Seiltgen (Gedichte) zu Gehör bringen. Auch die jüngeren Zuhörer erklatschen sich am Ende des etwa eineinhalbstündigen Programms noch eine Zugabe. "Kauf dir einen bunten Luftballon" ertönt daraufhin von der mit einem Orientteppich ausgelegten Bühne. Das Publikum stimmt gleich mit ein. Ein Bub verteilt drei bunte Luftballons: in Hellblau, Lila und Grün.

Mit Liedern aus den 30er Jahren, Gedichten von Tucholsky, Brecht, Ringelnatz bis Mascha Kaleko – hervorragend rezitiert von Emmy Seiltgen – erobern die fünf Künstler auf der Bühne die Herzen der Zuschauer im Sturm. Nicht wenige der Gäste sind Patienten Kehrwalds und sehen ihren "Onkel Doktor" nun in einer ganz neuen Rolle. Aber auch einige Arztkollegen und Chefärzte des Klinikums lauschen dem stimmgewaltigen Auftritt ihres Kollegen. Altbürgermeister Hans Amler hat sich genau so unters Publikum gemischt wie IN-City-Vorsitzender Franz Mayr und die Geschäftsführerin des Stadtmarketingvereins, Thekla Hellwig. Einer der aktuellen Leerstände im Zehenthof eignet sich prima als Kulisse für eine Kunstausstellung: die Malerin Rosemarie Memmler präsentiert in einem leeren Laden ihre Werke.

Die Leerstände sind das Hauptproblem, mit dem der Zehenthof derzeit zu kämpfen hat. Auch der Stadtmarketingverein IN-City hat sich des Themas angenommen und will den Zehenthof weiter beleben. Geschäftsführerin Thekla Hellwig denkt dabei auch an Kultur. "Ich glaube schon, dass das ein Ort sein kann, wo man öfter anspruchsvolle Veranstaltungen durchführen kann", sagt Hellwig dem DONAUKURIER. Vorsitzender Franz Mayr bezeichnet den Samstagabend als "hoffnungsfrohen Anfang". Auch, was die Leerstände anbelangt, will sich IN-City einbringen. Thekla Hellwig hat mit der für den Zehenthof zuständigen Kapitalanlagegesellschaft, der Aachener Grundvermögen aus Köln, die Immobilien der katholischen Kirche verwaltet, bereits Kontakt aufgenommen. Der zuständige Mann sei "sehr kooperativ". Der Kapitalgesellschaft ist ohnehin daran gelegen, die Läden und Praxen zu vermieten. "Der Zehenthof lebt davon, dass die richtigen Mieter reinkommen", heißt es bei der Aachener Grundvermögen. Die hohe Fluktuation begründe sich nicht zuletzt in der Wirtschaftskrise. "Die regionalen Anbieter brechen weg." Und die großen Filialisten wollten immer nur Bestlage in der Ludwigstraße.

Zwei Mieter, die von Anfang an dabei waren, sind Apotheker Günther Hautmann und die Kosmetikerin Anita Tilscher. Beide können sich regelmäßige Kulturveranstaltungen im Zehenthof durchaus vorstellen. "Früher war hier italienisches Flair", erinnert sich Tilscher. "Es war ein richtig toller Hof."

Einige Verschönerungsmaßnahmen wie einen neuen Anstrich hat der Zehenthof bereits bekommen. Weitere Maßnahmen, nicht zuletzt eine kulturelle Aufwertung durch Konzerte, ähnlich dem Open-Air-Sommerabend mit Bernhard Kehrwald, sollen folgen. Irmgard Sieber und weitere Ingolstädter, die am Samstagabend dabei waren, werden dies begrüßen. "Alle haben gesagt, das war endlich mal was, das auch die etwas älteren Leute angesprochen hat", sagt Sieber. Dass es angesichts des Besucheransturmes mit dem "leiblichen Wohl" durch das Café im Zehenthof nicht ganz so gut geklappt hat, ist längst verziehen. Der satte Hörgenuss hat Hunger und Durst doch glatt vergessen lassen.