Winden
"Wir sind gut gerüstet"

Der Anschlag auf das Asylbewerberheim hat Winden verändert – Die Hilfsbereitschaft ist größer denn je

01.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:44 Uhr

Fast fertig: Der Investor hat dem Bürgermeister dieser Tage unter anderem die fast bezugsfertigen Zimmer gezeigt.

Winden am Aign (DK) Die Stimmung ist gut. Nein, sie ist besser. Besser als vor dem Brandanschlag auf das Asylbewerberheim in der Hauptstraße von Winden. 64 Menschen bilden zurzeit den Asylhelferkreis, nicht nur Bürgermeister Michael Franken fragt: „Wann kommen endlich die ersten Flüchtlinge“

Der Schock saß tief, damals Mitte Juli. Nachts hatten bislang Unbekannte den Anbau am ehemaligen Gasthof Däuber mit Brandsätzen schwer beschädigt. Und dadurch auch den Reichertshofener Ortsteil in ein schlechtes Licht gerückt. „Die Menschen hören wieder zu, es wird über das Thema Asylbewerber geredet“, sagt heute Susanne Blümelhuber, die zusammen mit ihrem Mann Gerhard, ihrer Tochter Birgit und ihrem Schwiegersohn Gerrit den Asylhelferkreis Winden leitet. „Es ist einfacher geworden, gegen Vorurteile anzukämpfen. Und viele, die uns zuhören, sagen: Das hätten sie gar nicht gewusst.“ Schattenseite des Engagements: Freundschaften bröckeln, geben Susanne und Birgit Blümelhuber zu. Aber: „Es kommen auch neue Freundschaften dazu.“

Bürgermeister Franken (JWU) verdeutlicht: „Aus der lange Zeit schweigenden Masse haben sich dann einige herausgetraut. Sie wollten ein Zeichen setzen.“ Er habe das Gefühl, dass ganz viele signalisieren wollen, dass man sich das nicht gefallen lässt. „Wir kriegen das organisiert“, verspricht Franken. „Gegner gibt es in jedem Bereich.“ Darum sei es knapp sieben Monate nach der ersten Information über das geplante Asylbewerberheim an der Zeit, dass „endlich jemand einzieht“.

In Winden ist es fast so, als wäre nie etwas gewesen. Keine Diskussionen, keine Hetzplakate, keine Bürgerversammlungen. Das Leben hat sich normalisiert. Die Nachbarn des Grundstücks, auf dem Mitte Oktober die ersten Flüchtlinge ankommen sollen, hegen keinen Groll. „Warum auch“, fragt Markus Müller. „Wenn sie sich ordentlich aufführen, sind sie herzlich willkommen.“ Müller wohnt gegenüber, in seinem Garten steht das vom Wind umgewehte Plakat: „Bibel, Sprüche 3, Vers 21–35.“ Diese Zeilen ermahnen zum Wohltun und zur Friedfertigkeit. „Das sollten alle lesen, die fremdenfeindliche Plakate aufgestellt haben.“

Winden ist gerüstet, versprechen die Blümelhubers. „Viele haben angerufen, viele haben gespendet. Und viele Helfer haben die gespendeten Sachen in ihren Häusern oder extra leer geräumten Garagen gelagert“, erzählt Susanne Blümelhuber. Die hilfsbereiten Menschen kommen nicht nur aus Winden und Reichertshofen, sondern auch aus Langenbruck, Agelsberg, Hög, Ronnweg, Gotteshofen und Puch. „Was uns fehlt, wissen wir, wenn die ersten Flüchtlinge da sind.“ Unter anderem haben sie schon 30 Räder gesammelt, inzwischen ist ihnen der Platz zum Abstellen ausgegangen. „Wenn uns jemand etwas Gutes tun will, dann soll er uns Fahrradschlösser und Warnwesten schenken“, bittet Birgit Blümelhuber.

Anfängliche Kritik, Helfer wie sie wären naiv und würden die Situation falsch einschätzen, haben die Ehrenamtlichen nie aus der Ruhe gebracht. „Es hat sich total positiv entwickelt“, findet auch Franken. „64 Helfer haben sich in der Liste eingetragen. Dazu die wohlwollenden Sympathisanten, die jeder dieser Helfer in seinem Freundes- und Bekanntenkreis hat. Das tut gut und macht die Aufgabe leichter.“ Birgit Blümelhuber freut sich auch über so viele Helfer: „Das Verhältnis von Asylbewerbern zu Helfern liegt ja fast schon bei 1:1.“

Eine ältere Frau schiebt ihr Fahrrad hinter dem Asylbewerberheim vorbei: „Der Anschlag war eine Schande. Viele schämen sich noch heute dafür“, gibt sie zu. Und sie betont: „Die Flüchtlinge sollen ruhig kommen.“ Ein Mann steht im Garten und sagt: „Das sind arme Menschen, die da kommen werden. Wir sind bereit für sie.“

Alle helfen zusammen. Birgit Blümelhuber erzählt: „Die DJK Winden hat ihren Saal für Sprachkurse mit ehrenamtlichen Helfern angeboten.“ Apropos Sprache: Beim Übersetzen ist der Asylhelferkreis nicht alleine. Birgit Blümelhuber: „Englisch und Französisch sind kein Problem. Ein Lehrer will bei Sprachkursen helfen. Zudem hat die Nachbarschaftshilfe Reichertshofen Dolmetscherdienste angeboten.“ Franken ergänzt: „In Reichertshofen leben Iraker, Syrer und Afghanen. Ein Mann aus Afghanistan, der im Bauhof arbeitet und vor 18 Monaten noch kein Wort Deutsch sprach, wird gerne helfen. Vielleicht hilft auch seine Tochter, die inzwischen perfekt deutsch spricht.“

Susanne Blümelhuber weiß auf jeden Fall: „Die Asylbewerber werden nicht nur bei uns leben, sondern mit uns.“ Franken: „Sie bleiben ja vielleicht viele Jahre hier.“ Er verspricht, die Flüchtlinge würden herzlich, unvoreingenommen und unkompliziert aufgenommen. Susanne Blümelhuber verdeutlicht: „Viele aus dem Helferkreis haben gefragt, wann die ersten Flüchtlinge kommen, damit sie Urlaub nehmen könnten.“

Noch einmal Markus Müller: „Ich habe mir überlegt, ob ich in meinem Garten einen Imbiss aufmachen soll.“ Es wären nur ein paar Meter über die Straße zum Asylbewerberheim. Müller sagt: „Ein Nudelgericht pro Tag, dazu drei verschiedene Pizzasorten. Das wär’s doch.“ Die Blümelhubers und auch Franken freuen sich über jedes Engagement. Susanne Blümelhuber: „Wer hier hilft, hat das Herz am richtigen Fleck.“