Wenn die Frühaufsteher ihre Bahnen ziehen

22.07.2009 | Stand 03.12.2020, 4:47 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Ob es regnet oder die Sonne scheint: Eine eingeschworene Gemeinde zieht jeden Morgen kurz nach 8 Uhr ihre Bahnen im Freibad. Zu den Frühaufstehern gehören Pensionisten ebenso wie Berufstätige, die sich vor der Arbeit erfrischen und stärken wollen.

Nach der ersten Sanierungsphase zählt das Volksbad an der Jahnstraße nicht nur zu den schönsten Anlagen Deutschlands, sondern auch zu den modernsten Freibädern weit und breit. Dennoch hat das Ingolstädter Bad auch eine Schattenseite: Denn wenn morgens die Sonne hinter dem Liebfrauenmünster aufsteigt, verharrt ein Teil der neuen Sprung- und Schwimmbecken hartnäckig im diesigen Morgenlicht. Die feine Linie zwischen Licht und Schatten lässt die Stammgäste jedoch völlig kalt. "Das Wasser ist wunderbar", ruft eine junge Frau, die ohne viel Federlesens in ihren Bikini geschlüpft und in das 24,7 Grad warme Becken gehüpft ist.

"Ich schwimme am liebsten gleich nach der Öffnung des Freibades", berichtet die bekennende Frühaufsteherin, die ihren Bandscheiben etwas Gutes tut und ausschließlich in Rückenlage schwimmt. "Das geht am besten morgens." In der Tat: In der ersten Viertelstunde sind die knapp zwölf Frauen und Männer in dem großen Edelstahlbecken unter sich. Zwei ältere Herren ziehen gemütlich und ratschend ihre Bahnen, während Hobbysportler wie der 45-jährige Fred geradezu professionell kraulen. "Die Mädchen vom Delphin-Verein sind viel besser und schneller als ich", winkt der Mann bescheiden ab. Immerhin schwimmt Fred täglich einen Kilometer und kontrolliert dabei die Zeiten, bevor er in die Arbeit geht.

"Die Hauptsache ist, dass es nicht regnet", betont Sabine Trefz, die sich für ihren Urlaub daheim viel vorgenommen hat: "Ich habe schon ein bisschen Ehrgeiz entwickelt", verrät die 44-Jährige, die sich von ein paar überflüssigen Pfunden trennen will. 20 bis 25 Bahnen schraubt die Schwimmerin daher runter – und hat nebenbei noch genug Puste für ein Interview. "Es wäre schön, wenn meine Eintrittskarte heute weiter gelten würde, wenn ich das Bad jetzt verlasse", wünscht sich die junge Frau. Doch das elektronische Kassensystem des Freibades kann nur einen einmaligen Eintritt verbuchen. Ihr Wunsch nach mehr Rücksichtnahme beim Morgensport wird indes sofort erfüllt: "Auf Bahn 7 schwimmt ihr hin, auf der 8 zurück", ermahnt ein junger Ingolstädter Gymnasiallehrer seine Sechstklässler, die zur ersten Schulstunde am Beckenrand aufgetaucht sind. So können Kinder und Hobbyschwimmer nun dem Kollisionskurs aus dem Weg gehen.

"Das ist vorbildlich", lobt auch Betriebsleiter Roland Regler, der schon seit 7 Uhr morgens im Freibad auf den Beinen ist. Mehr als 16 Jahre ist der Schwimmmeister bereits im Dienst – und von den Frühaufstehern kennt er die meisten. "Manche kommen seit Jahrzehnten jeden Morgen", berichtet Regler. Allerdings schrecke richtig mieses Regenwetter den einen oder die andere durchaus ab. Dafür stünden an schönen Wochenenden manchmal sogar 25 Stammkunden um kurz vor 8 Uhr vor der Kasse. "Ich habe einmal beobachtet, wie eine Ente minutenlang neben einem Mann hin und her schwamm", schildert der Betriebsleiter eine Szene, die später am Tag im Jubel und Trubel des Freibades völlig undenkbar wäre. "Die Frühschwimmer sind eben ein unkompliziertes Klientel", lobt Roland Regler denn auch aus vollem Herzen.