Vor dem Spiegel steht die Zeit still

07.03.2008 | Stand 03.12.2020, 6:04 Uhr

Schon als Lehrmädchen zu Beginn der 60er Jahre sorgte Friseurin Gerda Haidt (r.) dafür, dass ihre Stammkundin Elfriede Pfaffel immer zufrieden den Salon verlässt. Friseurmeister Peter Treubel junior bedankte sich bei beiden für diese außergewöhnliche Treue.

Ingolstadt (DK) Es gibt Ingolstädter Traditionssalons, da steht bald die vierte Generation hinter dem Baderstuhl. Und dennoch scheint im Frisierspiegel die Zeit stehen geblieben zu sein: Die Schanzer Stammkundschaft hält den Haarkünstlern oft über Jahrzehnte die Treue.

Samstagvormittags hat Elfriede Pfaffel einen ganz besonderen Termin, den sie fast noch nie verpasst hat: Seit mehr als 45 Jahren gönnt sich die 73-jährige Ingolstädterin im Friseursalon Treubel regelmäßig eine kleine Auszeit vom Alltag. "Fremd gegangen", so die zuverlässige Stammkundin, ist sie in den Jahrzehnten nur im Notfall. Denn mit Gerda Haidt hat Elfriede Pfaffel nicht nur eine Fachfrau für die Frisur, sondern auch eine Freundin fürs Leben gefunden. "Wir sind eben ein Team", begründet die Pensionistin, warum nur die 58-jährige Haarkünstlerin bei ihr Hand anlegen darf.

Als sich zu Beginn der 60er Jahre die Kundin und das Lehrmädchen erstmals vor dem Frisiertisch trafen, trugen die Damen in Ingolstadt aufwändige Außenrollen oder Bubi-Kopf, und der Haarschnitt kostete nur wenige Mark. Seitdem hat sich das Handwerk zu einer modernen Dienstleistung mit zahllosen Facetten entwickelt. Geblieben ist jedoch der außergewöhnliche Service, den ein Barbier auch heute noch bieten muss. Wenn Elfriede Pfaffel beispielsweise im Vorbereitungsstress für eine Familienfeier ist, kommt Gerda Haidt selbstverständlich zum Hausbesuch. "Wir kennen uns wirklich gut und haben uns viel zu erzählen", bestätigt die 58-Jährige, die im Traditionshaus Treubel fast ausschließlich Stammkundschaft betreut und oftmals Freud´ und Leid mit ihr teilt. Das treue Verhältnis ist kein Einzelfall: Auch die anderen Schanzer Traditionsbader haben Kundinnen und Kunden, die seit Jahrzehnten im selben Stuhl Platz nehmen. "Das liegt an einem selbst und dem Betriebsklima", erläutert Tom Schötz von "Toms Hairteam" am Paradeplatz. "Das ist wie beim Zahnarzt." Fachkundig, ehrlich und zuvorkommend müsse der Friseur sein, betont der Ingolstädter. Denn, um es mit dem Kabarettisten Ulf Annel zu formulieren: "Treue bedeutet nicht, immer dazubleiben, sondern immer wiederzukommen."

Dienstleistungen in Top-Qualität und ein Traditionsbewusstsein über die schnelllebigen Moden hinaus sind ebenfalls unabdingbar: "Es gibt nur noch wenige, die eine Hochsteckfrisur richtig machen können", weiß zum Beispiel Stammkundin Hildegard Miller, die seit 1959 der Ingolstädter Baderfamilie vertraut. Regelmäßig bucht die 85-Jährige daher eine Haarpflege bei der Seniorchefin. "Unser Verhältnis ist einfach super", betont Renate Schötz. "Das ist schon fast wie bei Schwestern."