Vollgas durch Ingolstadt

15.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:28 Uhr
Kreuztor und Kreuzstraße bei Nacht. −Foto: Herbert

Ingolstadt (DK) Egal, wo man hinhört: Überall klagen Anwohner über Raser, die ihnen den Schlaf rauben oder durch 30er-Zonen donnern. Was tun? Es gibt einige Ansätze - doch selbst die Experten glauben, dass es immer ein Spiel wie zwischen Igel und Hase sein wird.

Es muss nicht immer Tempo 140 sein. In der Altstadt mit ihrem Kopfsteinpflaster reichen schon 50 Kilometer pro Stunde oder aufheulende Motoren in der Nacht, um die Anwohner aufzuwecken. Und die sind zunehmend sauer, wie man anhand vieler Leserbriefe sehen kann.

Seit 2003 gibt es das Amt für Verkehrsmanagement und Geoinformation. „Klar ist: Die Verkehrsmoral ist seitdem nicht besser geworden“, sagt Johannes Wegmann, Chef der Behörde, die als Ansprechpartner der Bürger dient und Anfragen wie Beschwerden an die Polizei weitergibt oder – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – selbst tätig wird.

Wenn sich Anwohner melden, stellt das Amt häufig eines seiner Tempoanzeigegeräte auf, für eine Woche – „länger bringt das nix, sonst setzt der Gewöhnungseffekt ein“, sagt Wegmann. Die Daten leitet das Amt an die Polizei weiter, allerdings weiche oft die Wahrnehmung der Anwohner vom tatsächlichen Wert ab: „Die sagen, da wird mit 70 gefahren, aber wir messen nur maximal 40.“

Aus Wegmanns Sicht gibt es zwei Möglichkeiten, den Rasern beizukommen: Wenn die Straße schon optisch – etwa durch ihre Breite – zum Rasen verleite, sollte man sie verändern. Neubaugebiete würden jetzt schon mit wechselseitigen Parkbuchten geplant, damit niemand glatt durchfahren kann. „Aber am besten kann man die Verkehrssicherheit über den Geldbeutel erreichen“, sagt Wegmann.

Für die Verkehrskontrollen ist die Polizei zuständig. Und die ist ständig unterwegs: „Wir teilen unsere Strecken nach Unfallschwerpunkten und Anwohnerbeschwerden ein“, sagt Verkehrsexperte Franz Bäumler, der Wegmanns Meinung ist: Durch ständige Geschwindigkeitskontrollen könne man die Fahrer schon erziehen. 744 Messungen gab es im vergangenen Jahr, 4693 Fahrer erhielten dabei Anzeigen. Er persönlich hätte nichts gegen zusätzliche kommunale Verkehrsüberwachung, wie im Bezirksausschuss Mitte diskutiert, erklärt der Polizist, Straßen gebe es genug. Und Raser: „Wir können Aufklärung betreiben, wie wir wollen, die Leute glauben es nicht.“

Und die Innenstadt? Von einem Nachtfahrverbot in der gesamten Altstadt, wie es jetzt auch die CSU fordert, hält Bäumler nichts. „Anwohner und Besucher müssten wir ja durchfahren lassen. Und das dann zu kontrollieren – da könnten wir keine anderen Fälle mehr behandeln.“

Die Innenstadt
Im vergangenen Jahr blockierten Altstadtbewohner für eine Stunde die Anatomiestraße – um gegen den Verkehrslärm und die Raser in ihrer Nachbarschaft zu protestieren. Die oft aufgemotzten Autos dröhnen gerne auch nachts durch andere Altstadtstraßen – dank Kopfsteinpflaster verpasst das kaum ein Anwohner. Erst jetzt diskutierten die Vertreter des Bezirksausschusses Mitte wieder über die Raser, die zum Beispiel nachts – obwohl verboten – durchs Kreuztor hineinfahren und die Innenstadt als Rennstrecke nutzen. Der Bezirksausschuss beschloss, sich über die Möglichkeiten der kommunalen Verkehrsüberwachung zu informieren, damit man auch ohne Polizei blitzen kann.

Friedrichshofen
Auto- und Motorradrennen zwischen Audi-Kreisel, Westpark und dem neuen Hoch-Kreisel Richtung Gaimersheim – und das überwiegend nachts: Anwohner aus Friedrichshofen beklagen, dass ihre Umgebung inzwischen zu einem regionalen Rasertreff mutiert sei, was ihnen nicht nur nachts den Schlaf raube, sondern auch gefährlich für alle sei. Polizeikontrollen würden nur kurzfristig helfen. Einer von ihnen, Ulrich Geiling, hat dem Oberbürgermeister geschrieben – der schrieb zurück und erklärte, es habe schon Gespräche mit der Polizei gegeben. „Nun ist leider der Erfolg ausgeblieben“, findet Geiling. Er überlege schon, ob es in Ingolstadt überhaupt noch sicher für seine Familie sei.

Große Zellgasse
Die Anwohner der Großen Zellgasse, einer Straße zwischen Westlicher Ringstraße und Baggersee, würden sich wohl nur wenig sehnlicher wünschen als eine durchgehende Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 Kilometer pro Stunde, wie es sie in der Nähe der Bushaltestelle gibt. Doch das ist nicht möglich, erklärt das Amt für Verkehrsmanagement, da die Große Zellgasse nur einseitig bebaut sei. Und: „Geschwindigkeitsbeschränkungen sind nur das letzte Mittel“, sagt Johannes Wegmann, Chef des Amtes. „Wer schnell fahren will, tut das – gleich, welche Beschilderung vorhanden ist.“ Die Verkehrswacht habe aber jetzt eine Woche lang ein Messgerät aufgestellt – das Ergebnis steht noch aus.

Der Südwesten
Im Ingolstädter Südwesten wird gerne gerast – es ist aber nicht ganz einfach für Autofahrer: Im Umfeld von Stadtgebiet, Hagau, Hundszell und Zuchering wechseln sich 30er- mit 50er-Zonen ab, teilweise sind auch Tempo 70 oder mehr erlaubt. Das verleitet dazu, nicht vom Gas zu gehen. Zum Beispiel zwischen Hundszell und Knoglersfreude oder zwischen Hagau und Zuchering. Dort, auf der Weicheringer Straße, kam es auch schon zu einigen schlimmen Unfällen. Oft stehen dort auch Blitzer. „Wir machen das aber nicht, um Geld zu verdienen“, sagt Polizist Franz Bäumler. Deswegen ärgerten ihn auch die Fahrzeuge, die mit Lichthupe warnen, und Radiodurchsagen mit detaillierten Ortsangaben.

Mailing
In der Regensburger Straße ballt sich der Verkehr. Jahrelang forderten daher die Anwohner wenigstens einen Flüsterasphalt, der den Lärm der vielen Fahrzeuge und der nächtlichen Raser dämmen sollte. Der Asphalt ist inzwischen aufgetragen, jetzt wurde er in einem 500 Meter langen Abschnitt wieder aufgerissen: für die Erweiterung der Fernwärmeleitung der Stadtwerke. Mancher Anwohner wundert sich, doch immerhin bremst die Baustelle so manchen Raser ab. Nachteil: der Baustellenlärm bis in den August hinein. Die restliche Straße ist dagegen frei. Im Umfeld des Kindergartens in Mailing gilt zwar Tempo 30, doch viele Autofahrer bremsen nicht extra für diesen Teil der Strecke ab.

Die Schillerstraße
Auch wenn Polizei und Stadt betonen, dass es so etwas nicht gibt: Die Schillerstraße ist – wie mehrere andere große Straßen im Stadtgebiet – eine ausgesprochene Raserstrecke. Gut ausgebaut, breit und eine der Hauptverbindungen. Hier liefern sich Autofahrer so manches Duell, die Anwohner sammelten auch schon Unterschriften gegen noch mehr Verkehrslärm. Angedacht war damals der vierspurige Ausbau der Straße. Der ist zwar vom Tisch, aber jetzt befürchten sie mehr Verkehr durch den geplanten Ausbau des Schneller Wegs. Grundsätzlich sei es so, sagt Verkehrsmanagement-Experte Johannes Wegmann: „Wir haben Verkehr in der Stadt – und der muss abgewickelt werden. Es ist immer ein Kompromiss.“