Ingolstadt
Die Tram ist noch nicht abgefahren

Markus Stockmeier und seine Interessengemeinschaft setzen sich weiter für eine Straßenbahn in Ingolstadt ein

23.08.2019 | Stand 23.09.2023, 8:18 Uhr
Nahverkehr über die Stadt hinaus: In Kassel gibt es seit einigen Jahren eine Regiotram. Ähnliches hat die Ingolstädter Interessengemeinschaft um Markus Stockmeier (unten im März bei der Präsentation seines Konzepts) vor: Eine Straßenbahn, die auch auf den Gleisen der Deutschen Bahn fahren kann. Das würde die Attraktivität des ÖPNV in der Region deutlich steigern, sagt Stockmeier. −Foto: Zucchi/dpa, Hauser/Archiv

Ingolstadt (DK) Der Weg, den er einschlagen will, birgt hohe Hürden und harte Widerstände.

Deshalb geht ihn Markus Stockmeier poetisch an: "Jede weite Reise beginnt mit einem ersten Schritt", sagt er. Sein Ziel: Eine Straßenbahn für Ingolstadt, um den Öffentlichen Personennahverkehr kräftig aufzuwerten - und das Flair der Stadt gleich mit. Eine Tram wie in einer richtigen Großstadt! Vom segensreichen Effekt dieser Idee sind Stockmeier und seine Mitstreiter in ihrer Interessengemeinschaft fest überzeugt. Auch jetzt noch, nach dem ersten Schritt der Stadt Ingolstadt in Richtung ihres Projekts, der nach Ansicht vieler Betrachter schon der letzte gewesen sein könnte: die Exkursion nach Regensburg; denn die führte zu Ernüchterung.

Am 23. Juli ist eine größere Gruppe aus Ingolstädter Stadtratsmitgliedern samt OB Christian Lösel und Bürgermeister Albert Wittmann, Verwaltungsmitarbeitern und Verkehrsexperten in die oberpfälzische Bezirkshauptstadt gefahren, um sich von ihren Gastgebern, Baureferentin Christine Schimpfermann und Bürgermeister Jürgen Huber, über die Planungen für den Bau einer Trambahn informieren zu lassen, die der Regensburger Stadtrat mit großer Mehrheit beschlossen hat. Die Regensburger kündigten (wie berichtet) stattliche Kosten an: Für die Realisierung einer rund 15 Kilometer langen Gesamtstrecke mit zwei Linien werden derzeit (überschlagen) 246 Millionen Euro prognostiziert. In Regensburg setze man auf eine Tram, weil sich das Bussystem in der 145000-Einwohner-Stadt mit den über 30000 Studenten (von denen nicht alle in Regensburg ihren Erstwohnsitz haben) am Limit bewege, erfuhren die Besucher aus Ingolstadt.

Diverse Exkursionsteilnehmer schlussfolgerten: Von einer Überlastung der Busse sei man in Ingolstadt wirklich noch weit entfernt. Also benötige man keine Straßenbahn. Von den hohen Kosten und der komplizierten Umsetzung der Pläne ganz zu schweigen. Für viele scheint eine Schanzer Tram damit endgültig abgefahren zu sein.

Für Markus Stockmeier nicht. Natürlich war er in Regensburg dabei. Der Facharzt für Dermatologie darf inzwischen ebenfalls als Verkehrsexperte gelten, denn er hat sich tief in die Materie eingelesen. Auf DK-Anfrage rückte er eine Impression aus Regensburg zurecht, denn er ist alles andere als desillusioniert zurückgekehrt. Bei den Kosten seien auch der Bau einer eigenen Brücke für die Tram (die die Regensburger Stadtbahn nennen) über die Bahngleise beim Hauptbahnhof sowie ein neuer ÖPNV-Knotenpunkt an der Galgenbergbrücke eingerechnet, sagt Stockmeier. "Und das wäre in Ingolstadt nicht der Fall. "

Der Schanzer Trambahn-Enthusiast zählt eine lange Reihe von Argumenten für seine Initiative auf. Und er schickt voraus: "Wir fordern nichts. Wir liefern nur Denkanstöße. "

Deren erster: Ingolstadt besitze große Vorteile gegenüber Regensburg: "Die Trambahnstrecken könnten sehr gerade geführt werden. " Etwa vom abgelegenen Hauptbahnhof über die Nord-Süd-Achse bis zu Audi - "ohne 90-Grad -Kurven wie in Regensburg", sagt Stockmeier. "Die Konrad-Adenauer-Brücke ist für eine Straßenbahn gebaut, sie war dafür gedacht. " Nicht zu vergessen: "Wir haben ein schönes Eisenbahnnetz, das sternförmig angelegt ist, plus Industriegleise. " Zum Beispiel Richtung IN-Campus auf dem alten Bayernoil-Gelände. All das ließe sich effektiv verbinden. Denn die Interessengemeinschaft visiert keine auf das Stadtgebiet beschränkte Bahn an, sondern eine Regional-Tram, die über ihre eigene Trasse hinaus auch auf den Gleisen der Deutschen Bahn fahren könne. Stockmeier erkennt hier die Chance für ei-ne immense Verbesserung des ÖPNV-Angebots mit segensreichen Effekten auf die verstopften Straßen. "Der Hersteller Alstom in Frankreich bietet genau solche Straßenbahnen an! "

Das Argument, die nicht gerade überlasteten INVG-Busse sprächen gegen eine Schanzer Tram, hat Stockmeier fast etwas geärgert: "Es ist doch absurd zu sagen: ,Macht erst mal die Busse voll, dann sehen wir weiter. ' Wir müssen deutlich mehr Leute in Busse und Bahnen bringen - und dazu brauchen wir einen möglichst attraktiven ÖPNV! " Eine Straßenbahn übe stets großen Reiz auf Fahrgäste aus, sagt er, das belegten Studien. Wenn Passagiere die Wahl zwischen einem Bus und einer Bahn hätten, würden sie überwiegend in die Bahn steigen. Die mache deutlich mehr her, "prägt das Stadtbild positiv und verbreitet ein großstädtisches Flair".

Gewiss: Es koste eine Menge, eine Straßenbahntrasse anzulegen, auch, weil der Untergrund neu befestigt werden müsse, erläutert Stockmeier. "Aber dafür ist die Betriebsdauer bei einer Tram wesentlich höher, was auf lange Sicht günstiger kommt. " Sie sei im Schnitt 35 Jahre im Dienst, ein Linienbus dagegen nur acht bis zehn Jahre.

Neueste Technik entkräftet für Stockmeier Widerstände gegen Trambahnen, etwa die oft vorgetragene Befürchtung, Gebäude könnten wegen der steten Vibration, die die schweren Gefährte auslösen, Schaden nehmen. Stockmeier: "Die Hersteller versichern, dass ihre Bahnen heute erschütterungsfrei fahren. Das bringen die schon hin! "

Und sie kämen dank "Superkondensatoren" einige Kilometer weit ohne Oberleitung aus, was gerade in Innenstädten von großem Vorteil sei. Das System basiere nicht auf Akkus. "So erübrigt sich die Problematik mit den schweren, teuren Batterien und den wertvollen Stoffen für ihre Herstellung, etwa Kobalt. " Eine Straßenbahn auf der Höhe der Zeit sei eine sehr effektive und umweltschonende Variante der Elektromobilität. Sollte bald eine Steuer auf Kohlendioxid kommen, würden auch die Busse mit Verbrennungsmotor in den Bilanzen weit abgehängt. "Eine Trambahn ist einfach die bestmögliche Lösung. "

Weitere Argumente: Es stünden bis zu 90 Prozent staatliche Förderung eines Straßenbahnbaus in Aussicht (ein Punkt, der gewiss auch viele Regensburger Stadträte in die Spur brachte). Man könne außerdem "elegant mit Niederflurtechnik einsteigen" und müsse nicht teuer umrüsten "wie in Städten mit historisch gewachsenem Straßenbahnnetz".

Als "wichtigstes Argument" nennt er: die Kapazität. Die sei mit einer Straßenbahn deutlich höher als mit Bussen. "Deshalb haben sich die Regensburger ja auch dafür entschieden. "

Die Interessengemeinschaft will weiter überzeugen und das Thema präsent halten, kündigt Stockmeier an. Er ist zwar Mitglied der UDI, "aber mit denen hat unsere IG nichts zu tun. Wir sind überparteilich! Ich kandidiere auch nicht für den Stadtrat". Markus Stockmeier, darauf legt er Wert, will einzig und allein seine Heimatstadt voranbringen. Mit einer Trambahn.
 

Christian Silvester