Ingolstadt
Auf einem Magnetfeld lag die Zukunft in der Schwebe

In den 70er-Jahren wurde auf einer Teststrecke im Feilenmoos bei Manching ein Vorläufer des Transrapid erprobt

19.02.2020 | Stand 23.09.2023, 10:44 Uhr
Mit einem Dampfraketenantrieb erreichte der Versuchsträger Komet für wenige Sekunden Tempo 400. Die 1,3 Kilometer lange Teststrecke war aufgeständert und wurde später abgebaut. −Foto: DK-Archiv

Ingolstadt/Manching - Mit Tempo 500 in nur zweieinhalb Stunden von Hamburg nach München: Das sollte 1985 möglich sein - dachten zumindest die Ingenieure der Firmen MBB und Krauss-Maffei, als sie vor einem halben Jahrhundert die Erprobung einer Magnetschwebebahn starteten.

 

Eine der Teststrecken in den 70er-Jahren lag bei Manching - und immerhin erreichte das Versuchsfahrzeug namens Komet eine Geschwindigkeit von 401 Kilometern pro Stunde - mit Dampfraketenantrieb!

Eine mögliche Magnetschwebebahn zwischen den Terminals am Münchener Flughafen - mit dieser Ankündigung hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer dieser Tage für Aufsehen gesorgt. Konkret geht es um ein neues System eines Baukonzerns aus der Oberpfalz, dessen Machbarkeit der CSU-Politiker prüfen lassen will. Es handelt sich um eine reduzierte Variante des Transrapid, dessen Entwicklung vor zwölf Jahren eingestellt worden war. Während es auf einer Teststrecke im Emsland 2006 einen schweren Unfall mit 23 Toten gegeben hatte, liefen bei einem parallel laufenden Prestigeprojekt der Staatsregierung vom Hauptbahnhof zum Flughafen München die Kosten völlig aus dem Ruder.

Dass dieses "Verkehrsmittel des 21. Jahrhunderts", wie es einst genannt wurde, vor gut vier Jahrzehnten zunächst in der Umgebung von Ingolstadt getestet worden ist, wird heute oft vergessen. Dabei existierte von 1972 bis 1978 im Feilenmoos eine rund 1,3 Kilometer lange Teststrecke für dieses Verkehrsmittel ohne Räder. Über dieses Stadium kam der Transrapid jedoch in der Region nie hinaus. Eine geplante größere Versuchsanlage im benachbarten Feilenforst auf Betonständern (15 Kilometer Länge in einer Höhe von 4,5 Metern) stieß auf erbitterten Widerstand von Teilen der Bevölkerung und der Lokalpolitik, vor allem wegen der geplanten Eingriffe in den Bannwald und der ohnehin schon großen Belastung der Bevölkerung (Kiesabbau, Flugplatz und Lastenabwurfplatz). Nicht zuletzt wegen der erforderlichen Auflagen entschied die Bundesregierung 1978, die Teststrecke im Emsland zu bauen, was das endgültige Aus für die Erprobungen in der Region bedeutete.

 

Einer der vielen Befürworter einer Versuchs-Schwebebahn vor den Toren von Ingolstadt war der damalige Oberbürgermeister Peter Schnell. Mit der Entscheidung gegen den Feilenforst wurde "zweifellos eine große Chance verspielt", sagte Schnell seinerzeit im Gespräch mit dem DONAUKURIER. Gut 40 Jahre später erinnert er an die große Bedeutung, die das Projekt nicht nur für die Region hatte. "Aus damaliger Sicht war das Engagement sicher wichtig", so der Alt-OB: "Ganz Bayern sah damals eine Chance darin, in die Zukunft zu blicken. " Denn um weiterzukommen, müsse man immer vorne mit dran sein.

Schnell teilte damit die Auffassung des damaligen Bayerischen Wirtschaftsministers Anton Jaumann, der seinerzeit gegenüber unserer Zeitung von einem schweren Schlag für die Wirtschaft im Freistaat sprach. Immerhin hatte man auf Hunderte neuer Arbeitsplätze und Investitionen von rund 100 Millionen Mark sowie nochmals 50 Millionen für die erste Erweiterung auf 6,3 Kilometer Länge im Feilenforst gehofft - damals war das noch richtig viel Geld. Die Nähe zur Versuchsstrecke in Manching sowie zu MBB und Krauss-Maffei in München wäre nur von Vorteil gewesen.

Diese beiden Firmen hatten nämlich die Entwicklung des neuen Verkehrsmittels maßgeblich vorangetrieben und 1971 auf ihren Teststrecken in Ottobrunn und München-Allach die weltweit ersten Großversuchsfahrzeuge auf Magnetfeldern erprobt. Krauss-Maffei setzte zunächst auf den rund 15 Tonnen und 20 Personen fassenden Transrapid 04, während MBB sein unbemanntes, elf Tonnen schweres Komponentenmessfahrzeug (abgekürzt "Komet") ab 1974 auf der werkseigenen, aufgeständerten Versuchsanlage bei Manching auf seine Praxistauglichkeit überprüfte. Und das mit Erfolg: Angetrieben von einem Dampfraketen-Aggregat, schaffte das Fahrzeug Mitte der 70er-Jahre in weniger als drei Sekunden eine Geschwindigkeit von 401 Kilometern in der Stunde.

 

Die Tests müssen selbst für gestandene Ingenieure faszinierend gewesen sein. Der Komet schwebte auf einem nur 14 Millimeter dicken Luftpolster und ließ sich zeitgenössischen Berichten zufolge mit nur einem Finger problemlos in Bewegung versetzen. Die ambitionierten Pläne der beiden Firmen, die die Entwicklung in den 70ern dann gemeinsam betrieben, sollten freilich nicht einmal ansatzweise in Erfüllung gehen: Mitte der 80er-Jahre wollte man in nur zweieinhalb Stunden von München nach Hamburg fahren. . .

In Nachhinein, so Peter Schnell, war damals vielleicht die Zeit noch nicht reif für so ein ambitioniertes Projekt wie den Transrapid. Der Alt-OB lobt ausdrücklich den jetzigen Amtsinhaber Christian Lösel, der Ingolstadt und die Region zu einem Zentrum der Erforschung von Fluggeräten für die urbane Mobilität (Urban Air Mobility) machen will, nicht zuletzt, um Fördergelder zu erhalten und den Standort und die Arbeitsplätze für die Zukunft zu sichern. Nur eine Entwicklung habe die Region mehr oder weniger ziemlich links liegen lassen, so Schnell im Rückblick: "Ein Versäumnis ist die Wasserstofftechnologie. "

DK

 

Bernhard Pehl