Unterbrunnenreuth
Ernste Botschaften in Feierlaune

Beim Starkbierfest der Freien Wähler sind auch Demut und Dankbarkeit Thema umjubelter Auftritt von Chris Böttcher

24.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:25 Uhr

Zeigten sich gut gelaunt: FW-Fraktionschef Peter Springl und Bürgermeister Sepp Mißlbeck.

Unterbrunnenreuth (DK) Das Starkbierfest der Freien Wähler bot eine interessante Mischung. Während Hans Stachel sich in einer ernsten Fastenpredigt den Themen Ganztagsbetreuung und Innenstadt widmete, parodierte Chris Boettcher Musikstars und witzelte über die Frisur Donald Trumps.

Als sich die Freien Wähler (FW) nach Programmende auf der Bühne mit ihrem Stargast Chris Böttcher zum Gruppenfoto aufbauten, da sah es für einen Moment so aus, als hätte die den Generationenwechsel heraufbeschwörende Wählergemeinschaft ein neues Zugpferd für den jungen Weg gefunden. An den Sympathiewerten gemessen würde der gebürtige Ingolstädter Komiker sicherlich gut ins Profil der jungen Wilden bei der FW passen: Dynamisch ist er, bürgernah (wenn auch auf seine ganz eigene Weise) sowieso und eine gewisse Jugendlichkeit kann man dem bald 53-Jährigen mit den stets federnden Knien auch nicht absprechen.

Doch Böttcher - FW-Mann Klaus Böttcher ist sein Großgroßcousin, hieß es aus gut informierten Kreisen - war nicht zum Starkbierfest nach Unterbrunnenreuth gekommen, um womöglich als Revoluzzer den Aufstand gegen den offenbar überalterten Proporz bei den FW anzuführen, sondern schlicht, um den voll besetzten Dorfstadel möglichst gut bei Laune zu halten. In dieser Disziplin ging der Spaßmacher dann auch als klarer Sieger des Abends vom Feld.

Das allerdings hatte dem prominenten Gast zuvor schon Vereinsvorsitzender Hans Stachel junior quasi kampflos überlassen. Der kündigte vor seiner mit einer gewissen Spannung erwarteten Fastenrede an, dass es in dieser weder markige Kommentare zum Rauschen im Blätterwald (gemeint war der DK-Bericht über die angebliche Absicht der jüngeren FW-Politiker um Peter Springl, Bürgermeister Sepp Mißlbeck zum Rücktritt zu bewegen) noch ein öffentliches Getrumpel - ein Wortspiel aus Getrampel und Trump - geben wird. "Wer das erwartet, wird enttäuscht sein", sagte Stachel. Statt dessen kündigte er "wichtige und ernst gemeinte Botschaften" an.

Wie sich herausstellte, drehte sich dabei alles um den sogenannten "Immerschlimmerismus", ein Begriff, den sich Stachel junior beim Zukunftsforscher Matthias Horx entliehen hatte. Die Zustandsbezeichnung "Immerbesserismus" wäre aber wohl treffender gewesen, denn der Festredner prangerte in seiner eher untypischen Starkbierrede den steten Drang der Gesellschaft an, immer besser werden zu wollen und nie zufrieden sein zu können. Als sei es eine Art Mittel zum Zweck mit Argumenten wie dem, die Quote bei der Kindertagesbetreuung in Bayern müsse bei 100 Prozent liegen, für schlechte Stimmung zu sorgen. "Ist eine völlige Fremdbetreuung wirklich erstrebenswert", fragte Stachel rhetorisch. Für ihn sei sie mehr ein "Albtraum", räumte er ein. Ziel müsse es daher sein, die Bedarfsvermeidung anzustreben. Eine "tote Innenstadt" in Ingolstadt - auch sie kann Stachel nicht ausmachen, wie er darlegte und kritisierte, wie diese oft schlechtgeredet werde. "Wir leiden an chronischer Unzufriedenheit", stellte er fest. "Dabei haben wir zweifelsfrei gute Lebensumstände." Stachel rief daher zu mehr Demut und Dankbarkeit auf. "Der Immerschlimmerismus darf kein Leitbild werden", so sein Appell.

Den Appell zum absoluten Frohsinn gab anschließend Chris Böttcher aus, der ein einstündiges Bühnenprogramm mit in den Dorfstadel gebracht hatte und das Publikum damit von der ersten bis zur letzten Minute vollauf begeisterte. Dabei nahm er altbewährte prominente Zeitgenossen wie Heino und Howard Carpendale (passend zum Durchschnittsalter der Zuhörer) ebenso aufs Korn, wie Stars, die in den Repertoires von Parodisten und Imitatoren eher als Exoten gelten - so wie Arnold Schwarzenegger und Peter Maffay. Die Alten und die Pubertierenden, die Mächtigen und die Reichen - sie alle bedachte der immerfort mit 200 Prozent durch sein Programm rasende Böttcher mit boshaften und spitzfindigen Seitenhieben, von denen jeder sein Ziel mit schier unglaublicher Präzision fand.

Auch wenn sich die Witze über US-Präsident Trumps Haarpracht irgendwann - wenn auch variantenreich - wiederholten und Böttcher Gefahr lief, mit der dritten Herbert-Grönemeyer-Parodie einfach nur aufzeigen zu wollen, dass er diese besonders gut beherrscht (wie auch die von Udo Lindenberg), so legte er doch kurz darauf wieder so zündende Pointen nach, dass sich das Publikum ganz offensichtlich nicht auch nur eine Minute gelangweilt fühlte. Der kräftige Schlussapplaus, der zwei Zugaben einbrachte, war dafür Beweis genug.