Reichertshofen
Seltene Bienenart breitet sich aus

400 Malvenlanghornbienen am Windsberg gezählt Ursprünglich galt Insekt in Bayern als ausgestorben

20.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:09 Uhr

Ein Exemplar der seltenen Malvenlanghornbiene beim Pollen sammeln. - Foto: Robert Hirmer

Reichertshofen (DK) Eigentlich galt die seltene Wildbiene in Bayern als ausgestorben. Doch in den vergangenen sieben Jahren hat sich das Insekt am Windsberg bei Hohenwart angesiedelt. Mit Erfolg: Der Bestand stieg, heuer wurden rund 400 Exemplare gezählt.

Im Jahr 2004 entdeckte der Biologe Markus Bräu rein zufällig die Malvenlanghornbiene (Eucera makroglossa) am Windsberg. Eine Sensation, denn diese Wildbiene galt in Bayern als ausgestorben. Das letzte Tier dieser Art war bei Schweinfurt im Jahr 1940 gesehen worden. 2009 erschien Klaus Mandery aus Ebern bei den Mitgliedern des Bundes Naturschutz der Ortsgruppe Reichertshofen. Er führt in Bayern die Liste der bedrohten Insekten. Sein Anliegen: Naturbegeisterte Menschen sollten im kommenden Jahr herausfinden, ob das Insekt noch fortlebt. Seitdem kommen sie jedes Jahr, um den Bestand der seltenen Art zu zählen.

Diese Wildbiene hat nur eine einzige Nahrungsquelle: Die Pollen und den Nektar verschiedener Malvenarten, am Windsberg der Rosenmalve. Sterben diese Pflanzen, stirbt auch die Malvenlanghornbiene. Die Malve wächst vorwiegend an Wegrändern auf sandigem nährstoffarmem Untergrund. Sie blüht von Juni bis Ende August, und wenn man sie nicht schützt, wird sie in der besten Blühphase von den Pflegetrupps der Gemeinden abgemäht. Seit vergangenem Jahr werden die noch kleinen grünen Pflänzchen deshalb lange vor der Blüte mit rund 90 großen und kleinen Pflöcken markiert. Nach nur einem Jahr haben sich die Malven deutlich vermehrt. Und kaum zu glauben: mit ihnen die Malvenlanghornbienen.

Auch auf einer artenreichen Wiese am Windsberg wuchsen bis 2014 viele Malven. Es war ein "Hotspot" für die Malvenbienen. Dort zeigte Klaus Mandery den Reichertshofenern seinerzeit, wie man die Bienen beobachtet. Seit 2015 wird nach Ablauf eines zehnjährigen Naturschutzvertrags dort Mais angebaut. Die Folge: Keine Malven mehr, auch in der näheren Umgebung nur mehr wenige. Dementsprechend blieben die Bienen aus, etwa ein Dutzend wurde an 20 Beobachtungstagen gesehen. Zum Glück fanden die cleveren Tierchen den Weg zu anderen Standorten und stellten einen neuen Rekord auf. Weit mehr als 400 konnten heuer gezählt werden (Vergleich zu 2013: 191 Bienen).

Nach Art vieler Wildbienen leben die Malvenbienen nur einen kurzen Sommer. Ende Juni schlüpfen zuerst die Männchen. Einige Tage danach folgen die Weibchen. Gleich nach der Befruchtung beginnt das Weibchen mit dem Brutgeschäft. Es gräbt in lockerem Rohboden eine Röhre und legt ein Ei hinein. Dann sammelt es Pollen auf seinen behaarten Hinterbeinen und legt sie als sogenannten Pollenkuchen für die Larve neben dem Ei ab. Dann wird die Zelle verschlossen. Jedes Ei bekommt seine eigene Brutkammer. Schon nach kurzer Zeit schlüpfen aus den Eiern die Larven und fressen den Proviant auf. Drei bis vier Wochen vor der Flugzeit entwickelt sich aus der Vorpuppe das geflügelte Insekt. Ende Juni kriechen die ersten Tiere aus der Nisthöhle. Bald fliegen sie zu den Malven, fressen, paaren sich, legen Eier. "Bienenfleißig" sind dann die Weibchen. Am liebsten arbeiten sie, wenn es dem erwähnten Homo sapiens viel zu heiß ist, bei 30 Grad Celsius. Sie fliegen sehr schnell und wechseln so blitzartig die Blüten, dass man sie kaum fotografieren kann.

Nachweislich gibt es die Tiere in Deutschland nur noch an drei weiteren Orten. Am Kaiserstuhl in Baden, am Griesheimer Sand bei Darmstadt in Südhessen und im Naturpark Kyffhäuser in Thüringen. In Letzterem soll es die Biene noch geben. Die letzte Kartierung liegt allerdings schon 20 Jahre zurück. ‹ŒPeter Bernhart