Reichertshofen
Erster Warnstreik in der Region

Auftakt in Reichertshofen: IG Metall fordert vor 250 Mitarbeitern von Wacker Neuson gerechten Anteil am Aufschwung

09.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:58 Uhr

Hauptredner beim Auftakt der regionalen Streikwelle war der Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Ingolstadt, Bernhard Stiedl (links). Die roten Kappen für die Streikenden lagen griffbereit auf einem Tisch am Tor zum Werksgelände, Applaus für die Redner kam oft aus roten Trillerpfeifen.

Reichertshofen (DK) Der Auftakt der regionalen Streikwelle der IG Metall fand gestern bei Wacker Neuson in Reichertshofen statt. Knapp 250 Streikende hörten mahnende und fordernde Worte von Bernhard Stiedl (IG Metall), Elvis Schwarz-mair und Wolfgang Strasser (beide Wacker Neuson).

Elvis Schwarzmair, Betriebsratsvorsitzender des Unternehmens Wacker Neuson, begrüßte die Betriebsangehörigen mit den Worten, der Wettergott habe ein Einsehen gehabt. Dennoch: Bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt wurde es manchem Streikenden schnell kalt.

Nach Ende der Friedenspflicht begann die IG Metall in der Region die Streikwelle gestern Vormittag um 9.30 Uhr bei Wacker Neuson, einem Hersteller von Geräten für die Bauindustrie mit Hauptsitz in München. Reichertshofen ist einer von drei Produktionsstandorten in Deutschland, im vergangenen Jahr hatte Wacker Neuson seinen Standort in Reichertshofen spürbar vergrößert und modernisiert. Inzwischen arbeiten dort über 500 Menschen.

Hauptredner war Bernhard Stiedl, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Ingolstadt, der die Streikenden über die aktuelle Situation im Tarifstreit der Metall- und Elektroindustrie informierte: "Wir produzieren teurer, weil die Löhne für die gleiche Leistung gestiegen sind, wir produzieren weniger, weil die tägliche Arbeitszeit verkürzt worden ist." Mit diesem Zitat vom April 1875 aus der Schlesischen Zeitung verdeutlichte Stiedl: "Ihr hört schon, die Antworten der Arbeitgeber auf die Tarifforderungen der IG Metall, haben sich in den letzten 143 Jahren nicht großartig geändert." Der Gewerkschaftler hob hervor, dass die Wirtschaft brummt, die Auftragsbücher voll und die Maschinen ausgelastet sind. "Wir wollen unseren gerechten Anteil am Aufschwung. Und wir wollen Arbeitszeiten, die zum Leben passen. Dafür wollen wir beim Chef nicht betteln müssen, die Zeit des Bettelns muss der Vergangenheit angehören." Nicht nur sechs Prozent mehr Lohn, auch die Forderung nach flexiblerer Arbeitszeit ist für Stiedl berechtigt: "Wir sind Menschen und keine Maschinen. Deshalb braucht unser Arbeitstag eine Grenze, deshalb brauchen wir Zeit zur Erholung, deshalb brauchen wir Zeit für Familie und Freunde." Das Angebot der Arbeitgeber von zwei Prozent ist für Stiedl "also der Dank für gute Arbeit, der Dank für Rekordgewinne und Exportüberschüsse, der Dank dafür, dass wir immer länger und härter arbeiten".

Schlechte Zeiten bei Wacker Neuson habe man im Geldbeutel gespürt, betonte Schwarzmeier. "In guten Jahren sollten wir daher ein größeres Stückerl abbekommen." Schließlich würden die Mitarbeiter dazu beitragen, dass es dem Arbeitgeber gutgeht. "Mit diesem Warnstreik wollen wir unseren Willen kundtun."

Wolfgang Strasser, Vertrauenskörperleiter der IG Metall bei Wacker Neuson, betonte, in den Medien sei immer wieder zu lesen, dass die IG Metall den Nerv einer gehetzten Gesellschaft treffe: "In der Gesellschaft haben wir richtig Rückenwind. Sechs Prozent - das ist richtig, das ist drin, das haben wir uns erarbeitet." Das Prinzip der Arbeitgeber, Vollzeit + Überstunden + Leistung + Flexibilität "wollen wir durchbrechen". Strasser betonte, man fordere deshalb eine Wahloption, "die Arbeitszeit nach unseren Bedürfnissen zu verkürzen. Denn wir sind keine Kostenstelle auf zwei Beinen. Wir sind Menschen mit Familien, Freunden, Verpflichtungen, Plänen und Träumen." Zudem laufe das Leben nicht immer geradeaus: "Unsere Kinder brauchen uns mal mehr, mal weniger. Plötzlich haben wir einen Pflegefall in der Familie. Körper und Geist sind auch keine Maschinen."

Nach einer knappen Stunde deutete vor dem Verwaltungsgebäude von Wacker Neuson nichts mehr auf den Streikauftakt in der Region hin.