Protest gegen Gesundheitskarte

07.05.2009 | Stand 03.12.2020, 4:58 Uhr

Unterschriften gegen die elektronische Gesundheitskarte: Auch in einigen Ingolstädter Praxen liegen Listen des Bündnisses "Stoppt die e-Card" aus. - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Unter den Ärzten der Region formiert sich Widerstand gegen die elektronische Gesundheitskarte. Einige Praxen in Ingolstadt haben Unterschriftenlisten des Bündnisses "Stoppt die e-Card" ausgelegt. Allein der Neurologe Dr. Michel Dauphin hat über 1000 Unterschriften gesammelt.

Nicht zuletzt die jüngst bekannt gewordenen Fälle von Datenmissbrauch großer Firmen hat die Menschen für das Thema Gesundheitskarte sensibilisiert. Im Laufe des nächsten Jahres soll die Karte in Bayern eingeführt werden. Schrittweise. Denn zunächst kann sie nicht viel mehr als die bisherige Versichertenkarte.

"Geschlossenes Netzwerk"

Die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte, kurz gematik, in Berlin ist von der Sicherheit überzeugt. Pressesprecher Daniel Poeschkens spricht von einem "in sich geschlossenen Netzwerk", zu dem nur die mit einem Heilmittelausweis versehenen Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäuser Zugang hätten. Die Daten auf der Patientenakte, die erst zu einem späteren Zeitpunkt aktiviert werde, seien verschlüsselt und könnten ausschließlich über die PIN-Nummer des Versicherten lesbar gemacht werden. Davon ausgenommen sei der Notfalldatensatz, auf dem etwa Allergien und chronische Erkrankungen vermerkt seien. Ein entsprechender Eintrag ist auf freiwilliger Basis.

Ärzte und Apotheker sehen die Gesundheitskarte dennoch mit viel Skepsis. Auch in Ingolstadt werden die Stimmen gegen die Karte lauter. Das Aktionsbündnis "Stoppt die e-Card", dem 49 Organisationen angehören, hat bundesweit bereits über 620 000 Patientenunterschriften gesammelt. Auch im Raum Ingolstadt stapeln sich die Listen: "Ich widerspreche der geplanten Speicherung meiner Krankheitsdaten auf zentralen Computern außerhalb der Arztpraxis", heißt es darin.

"Die Karte wird den Zugang zu intimen Informationen extrem erleichtern", sagt Dr. Michel Dauphin. Der Neurologe hat in seiner Praxis keinen Internetzugang. "Das ist der einzige Weg, die Daten zu schützen." Gerade Neurologen und Psychiater, deren Patientendaten besonders sensibel sind, hätten große Sorgen bezüglich der e-Card, spricht Dauphin für seinen Berufsstand. Dass der Datenschutzbeauftragte Peter Schaar die Karte für sicher erklärt hat, überzeugt ihn nicht. "Wenn Hacker in den Zentralrechner des Pentagons eindringen, schaffen sie das auch hier."

Auch die Allgemeinärztin Dr. Yoka Rammert hat bereits unzählige Patientenunterschriften gegen die e-Card an die Freie Ärzteschaft weitergeleitet. Nicht nur die hohen Kosten – Rammert spricht von einer Gesamtkostenschätzung von zwischen 8 und 47 Milliarden Euro in den ersten zehn Jahren – bringen die Ärztin in Rage. Einen Nutzen erkennt sie in der Karte nicht. Ihrer Meinung nach werde die Datenhoheit durch den Patienten vorgegaukelt. Als "absolute Feindin und Gegnerin der Karte" bezeichnet sich die Internistin Dr. Gabriele Hellwig. Sie spricht sich gegen vorauseilenden Gehorsam aus und sagt für sich: "Ich nehme das Gerät nicht an. Höchstens unter Androhung des Approbationsentzuges."

Auch der Vorsitzende des Hausärztekreises Ingolstadt, Thomas Lips, und Dr. Willi Bräunlein, stellvertretender Vorsitzender des Praxisnetzes GOIN, berichten kaum Positives über die e-Card. Bräunlein ist einer der Testärzte in der Region. Seine Erfahrungen sind negativ. Etwa, was die Qualität der Karten anbelangt, die sich nur schwer Einlesen lassen würden. Für die Praxen bedeute die Karte einen deutlich höheren Arbeitsaufwand. Vorteile kann er allenfalls dem Foto (gegen Kartenmissbrauch) und den Notfalldaten, unter denen beispielsweise Allergien vermerkt seien, abgewinnen. Als großes Manko sieht er: "Der Patient wird gläsern gemacht." Dies sei aber seine private Meinung.

Kritik der Apotheker

In der Modellregion Ingolstadt haben über 30 Ärzte und 16 Apotheken die elektronische Gesundheitskarte in mehreren Phasen getestet. Einer der Tester ist Apothekensprecher Christian Pacher. Seit November 2007 prüft er das elektronische Rezept. Viel kann er über seine Erfahrungen allerdings nicht sagen. Denn bislang sind seit November 2007 "höchstens 15 bis 20 elektronische Rezepte" eingegangen. Auf Kritik stößt die e-Card auch bei weiteren an dem Test beteiligten Apothekern. Das Ganze sei "sehr unausgegoren", heißt es.

Rechtlich gezwungen werden können die Ärzte nicht, ihre Praxen für die Gesundheitskarte aufzurüsten. Die GKV-Spitzenverbände und die Kassenärztliche Bundesvereinigung werden sich jedoch auf einen Termin verständigen, ab dem die herkömmliche Versichertenkarte ihre Gültigkeit verliert. Die Kosten für die Lesegeräte übernehmen die Kassen.