Ingolstadt
OB will den Neujahrsempfang abschaffen

Christian Scharpf ist der Austausch sehr wichtig - Er wünscht sich aber eine lockerere Sommerveranstaltung

12.08.2020 | Stand 23.09.2023, 13:29 Uhr
Der Neujahrsempfang 2020: Defilee und Händeschütteln mit dem damaligen OB Christian Lösel gehörten dazu. −Foto: Hauser (Archiv)

Ingolstadt - Der Neujahrsempfang: Für die einen ein schöner Auftakt, ein gesellschaftliches Ereignis und eine gute Gelegenheit zum zwanglosen Austausch. Für die anderen ein lästiger Termin, ein überholtes Format, ein alter Zopf. Oberbürgermeister Christian Scharpf (SPD) will ihn abschneiden, will den Neujahrsempfang in seiner jetzigen Form abschaffen. Das hatte er bereits im Wahlkampf angekündigt und seine Absicht jetzt nochmals gegenüber dem DONAUKURIER bekräftigt. Die Reaktionen zuletzt geladener Gäste fallen unterschiedlich aus.

Heuer waren 1350 Gäste zum städtischen Neujahrsempfang ins Theater gekommen. Mittlerweile ein undenkbares Szenario: Aufgrund der absehbar weiterhin notwendigen Regelungen zu Abstand und Hygiene könne der traditionelle Neujahrsempfang des Oberbürgermeisters für Behörden- und Wirtschaftsvertreter im Januar 2021 nicht stattfinden, heißt es aus dem Rathaus.
Oberbürgermeister Christian Scharpf möchte nun die Zeit für eine grundsätzliche Neuausrichtung nutzen: "Der Austausch und das Gespräch mit den gesellschaftlichen Gruppierungen sind mir sehr wichtig", betont er. "Ich würde mir den Rahmen aber etwas weniger formal und eher etwas ungezwungener und lockerer wünschen. An Stelle des Neujahrsempfangs könnte ich mir eine Veranstaltung im Sommer im Freien gut vorstellen und habe das Hauptamt gebeten, entsprechende Ideen für 2021 zu entwickeln.?
Er dürfte wohl Ingolstadts Rekordhalter in Sachen Neujahrempfänge sein: Alt-OB Peter Schnell hat 30 Jahre lang selbst zu dieser Veranstaltung eingeladen und Tausende Hände geschüttelt. Seit er nicht mehr im Amt ist, kommt er eben als Gast. Er sei aber nicht Erfinder des Neujahrsempfangs, betont der Ehrenbürger. Den habe es bereits unter seinem Vorgänger Otto Stinglwagner gegeben. Ein SPD-OB wie Scharpf.

Peter Schnell meint, viele Teilnehmer würden den Neujahrsempfang als Erleben von Stadtgesellschaft und Stadtgemeinschaft empfinden. "Wir wären nie auf die Idee gekommen, ihn abzuschaffen, denn das hätten viele als Verlust betrachtet," sagt der 84-Jährige. Die Veranstaltung diene dem Gedankenaustausch und baue Distanzen und Vorurteile ab. "Die Idee von einer Art Sommerfest finde ich sympathisch, aber das ist etwas Anderes. Wobei man dem OB nicht nachsagen kann, dass er nicht den Kontakt zu den Bürgern suchen würde. Das sehe ich mit Respekt, das beeindruckt mich."

Hans Stachel, Mittelständler und FW-Fraktionschef, hat noch keinen Neujahrsempfang verpasst, zu dem er eingeladen war. "Ich habe dort immer viele Gespräche geführt - auch mit Menschen, die man sonst nicht trifft." Unter Corona-Gesichtspunkten sei eine einmalige Absage sicherlich vertretbar, so Stachel. Dies werde womöglich auch erforderlich sein. "Ein sommerlicher Empfang im Freien ist natürlich vorstellbar - aber kein dauerhafter Ersatz." Einen generellen Verzicht hält er für "grundsätzlich falsch".

Auch Peter Heigl, Leiter der Polizeiinspektion Ingolstadt, würde es bedauern, wenn es künftig keinen Neujahrsempfang mehr gäbe. "Wir fühlten uns wertgeschätzt, dass wir immer eingeladen wurden, weil wir ja für die Sicherheit in Ingolstadt zuständig sind. Es war auch immer eine nette Gelegenheit, mit anderen Behördenvertretern und Stadträten ins Gespräch zu kommen."

Der Kreis beim Neujahrsempfang sei in den letzten Jahren immer größer geworden, stellt IHK-Regionalausschussvorsitzender und Unternehmer Fritz Peters fest. "Die Frage, ob das noch zeitgemäß ist, stellt sich nicht nur Corona-bedingt. Gerade entstehen viele Arbeitskreise oder Runde Tische. Wir brauchen das Miteinander in Ingolstadt, deshalb halte ich dieses Format im Moment für das Bessere."

Sparkassen-Chef Jürgen Wittmann sagt: "Mir sind der Rahmen und die Jahreszeit egal - wichtig ist die Begegnung mit Menschen." Kurz und bündig fällt auch die Stellungnahme aus der Volksbank Raiffeisenbank Bayern Mitte aus: "Wir respektieren die Entscheidung des Oberbürgermeisters", sagt Vorstand Richard Riedmaier.

Wie nicht anders zu erwarten findet SPD-Fraktionsvorsitzender und DGB-Organisationssekretär Christian De Lapuente Scharpfs Idee "nachvollziehbar". Er bezeichnet den Mehrwert des Neujahresempfangs als "sehr gering" und erinnert sich hauptsächlich an "Schlangestehen und eine einstündige Rede, wie gut die Stadt dasteht". De Lapuente weiter: "Irgendwann ist so ein Format totgefahren. Veränderung tut gut."

DK

Suzanne Schattenhofer