Natur erobert Festungsbau

19.08.2008 | Stand 03.12.2020, 5:40 Uhr

Die Sprengungen nach dem Zweiten Weltkrieg zeichnen sich heute noch deutlich am Fort Rosenschwaig ab. Das ehemalige Militärgelände ist sich selbst überlassen und wächst langsam zu. - Foto: Pehl

Ingolstadt (DK) „24 Stunden Ingolstadt“ lautet der Titel der Sommerserie im DK. In zwei Dutzend Geschichten wird jeweils eine Stunde des Tages an einem anderen Ort in Ingolstadt erzählt, um den ganz normalen Alltag zu schildern. Heute: Von 19 bis 20 Uhr im Zwischenwerk.

Dabei liegt das Zwischenwerk Rosenschwaig, wie es korrekt heißt, ziemlich nah an einem dicht befahrenen Radweg. Wer vom Wasserwerk Buschletten (bei Haunwöhr) entlang der früheren Bahnlinie nach Weichering radelt, passiert die Grenze zum Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. An der nächsten Abzweigung nach rechts geht es dann zur ehemaligen Verteidigungsanlage, die praktisch in einer Art Dornröschenschlaf liegt. Das wird sich möglicherweise aber ändern: Der Förderverein Bayerische Landesfestung Ingolstadt plant eine Beschilderung der 1945 von den Amerikanern in die Luft gejagten Anlage, die längst eine Ruine ist.

"Heute sind die gesprengten Außenwerke fast allesamt Biotope", weiß Aichner. Das Gelände des Zwischenwerks Rosenschwaig ist land- und forstwirtschaftlich kaum nutzbar, von einem Imker einmal abgesehen. In gut 60 Jahren entstand so eine naturnahe Idylle, ein Reservat für seltene Tiere und Pflanzen.

Als Großstädter kann man eintauchen in eine Welt, die in ihrer Urtümlichkeit selten geworden ist in Deutschland. Zwischen den Ruinen haben sich längst Pflanzen angesiedelt, die die Ziegelsteine und Betonblöcke überwuchern. Auf der ehemaligen Kasematte bildete sich ein Magerrasen, der garantiert noch nie gedüngt worden ist. Aus Büschen sind Bäume geworden, und in den nächsten Jahrzehnten wird das gesamte Gelände wohl zum Wald werden. Im Wassergraben liegen zahlreiche umgestürzte Bäume, das Werk des Bibers. Aichner plädiert dafür, nichts zu verändern und alles so zu belassen. "Die Sprengung ist auch ein Stück Geschichte", sagt der Historiker. Am meisten fasziniert jedoch die nahezu absolute Ruhe.

Am Anfang der Erläuterung des Festungsbaus steht jedoch eine Korrektur: "Die Rosenschwaige war kein Fort, sondern ein Zwischenwerk", weiß Aichner. Das heißt, es lag zwischen zwei Forts und sollte diese verstärken. "Ursprünglich war an der Südwestfront der bayerischen Landesfestung im 19. Jahrhundert nur ein Zwischenwerk bei Hagau vorgesehen", so Aichner. Weil jedoch diese 3,6 Kilometer lange Verteidigungslinie durch den Bahndamm in zwei Abschnitte unterteilt wurde und der Auwald für die Infanterie und teilweise sogar für die Artillerie zugänglich war, gelangte das Kriegsministerium zur Ansicht, zwei Zwischenwerke zu bauen: Rosenschwaig und Hagau.

Wassergraben erhalten

Zunächst mussten auf Anweisung des "Militärärars" 73 Hektar Mittelwald in Niederwald umgewandelt werden, um den Schusswinkel der Kanonen nicht zu beeinträchtigen, wie Alois Finsterer in seiner historischen Erkundung der Donauwälder schreibt. Zwischen 1890 und 1892 wurde das Fort Rosenschwaig dann errichtet. Der charakteristische Graben war von Anfang an so konzipiert, dass selbst bei einer Senkung des Wasserspiegels infolge der Donauregulierung die notwenige Wassertiefe erhalten blieb. Wie man heute noch sieht, hat sich das Konzept bewährt.

Das Zwischenwerk Rosenschwaig ist heute nicht nur eine von mehreren Festungsanlagen rund um Ingolstadt. Der Bau spiegelt bis jetzt die markante Veränderung der Politik der europäischen Großmächte am Ende des 19. Jahrhundert wieder. Im Zuge der sukzessiven Errichtung der Festung Ingolstadt wurden nämlich zunächst die südlichen Anlagen gebaut. "Der Grund war, dass man im Falle eines Krieges die Gefahr eines Angriffs aus Österreich drohen sah", weiß Aichner. Beim Bau von Zwischenwerk Rosenschwaig hatte sich jedoch die politische Lage in Europa schon geändert. "Man befürchtete nach der Reichsgründung einen Angriff aus Frankreich", erklärt Aichner, weshalb später die Westseite stärker befestigt wurde. Interessant ist übrigens auch, dass das bayerische Kriegsministerium damals auch Angst hatte, der Feind könnte die Kontrolle über die Donau erlangen und mit Hilfe von Pontons nach Ingolstadt vorstoßen. "Deswegen gibt es dort auch die Infanteriemauer", sagt Aichner.

Das Zwischenwerk mit seinem Umfang von fast 600 Metern und einer Fläche von 20 000 Quadratmetern war laut Aichner in Friedenszeiten mit ein paar Mann Wache besetzt. Im Kriegsfall hätten eine oder zwei Kompanien Platz gehabt. Seine Bewährungsprobe erlebte das Werk jedoch nie.

Nach dem Zweiten Weltkrieg sprengten die Amerikaner sämtliche Ingolstädter Außenforts. Darüber existiert auch ein Bericht in einer US-Truppenzeitung, die 1945 in Ingolstadt gedruckt wurde und die noch in einem einzigen Exemplar erhalten ist. "Interessant ist die Begründung für die Sprengung", sagt Aichner. "Schon die mittelalterlichen Türme von Ingolstadt seien Symbole für den deutschen Militarismus gewesen", erzählt Aichner schmunzelnd. Und die Überschrift des Artikels in der Soldatenzeitung lautete: "And the walls came tumbling down", zu Deutsch: "Und die Wände stürzten ein". Eine Zeile aus dem bekannten Gospel "Josua fit the battle of Jericho", das sich auf das sechste Kapitel des Buches Josua bezieht.