Morgenstund’ mit Mädchenüberschuss

04.08.2008 | Stand 03.12.2020, 5:42 Uhr

Herzliche Begrüßung: Katharina (links) macht ein Schnupperpraktikum. Leiterin Christa Elterich-Beck (rechts) stellt sie vor.

Ingolstadt (DK) „24 Stunden in Ingolstadt“ lautet der Titel der Sommerserie im DONAUKURIER. In zwei Dutzend Geschichten wird jeweils eine Stunde des Tages an einem anderen Ort in Ingolstadt erzählt, um den ganz normalen Alltag zu schildern. Für die zweite Folge hat unser Reporter den städtischen Kindergarten Grüne Insel zwischen 7 und 8 Uhr besucht.

Aber alles ist picobello aufgeräumt: Die Spielsachen liegen ordentlich verstaut in den Kisten, die Bücher stehen Rücken an Rücken in den Regalen, auch die kleinen bunten Gummistiefel, jedes Paar mit einer Wäscheklammer verbunden. In der Küche ist alles blitzsauber: Gerade hat Erzieherin Ulrike Kloos begonnen, die Getränke fürs Frühstück vorzubereiten.

62 Mädchen und Buben besuchen die 2002 eröffnete Kindertagesstätte, die Auf der Höhe liegt, direkt neben dem Südfriedhof. Eine besondere Lage, die durchaus Wirkung hat auf die Kinder. "Bei uns wird oft Beerdigung gespielt", erzählt die Leiterin. Erst neulich wieder hätten die Kinder einen toten Käfer im Sandkasten bestattet, mit Blümchen und Gesang. "Sie stehen dann da und bekreuzigen sich ganz fromm", schildert Christa Elterich-Beck die Szene. Das Sterben wird nicht tabuisiert, es gehört zum Leben dazu.

An diesem ersten Ferientag geht es natürlich gemächlich los auf der Grünen Insel. Pauline tappst als erste herein, mit dem Schnuller im Mund, aber sonst hellwach. Die Zweijährige klammert sich noch ein wenig an Mamas Bein, aber die muss weg zur Arbeit. Weil noch keine anderen Kinder da sind, hilft das kleine Mädchen beim Tischdecken.

Kurz darauf klingelt es, und eine Mutter bringt ihre Tochter, die kein Kind mehr ist. Katharina ist 18 Jahre alt und hat das Downsyndrom. Sie möchte ein Schnupperpraktikum in der Kindertagesstätte machen, weil sie später vielleicht eine Ausbildung in Richtung Hauswirtschafterin absolvieren wird. Katharina umarmt sofort stürmisch die Kindergartenleiterin, die sie schon von Klein auf kennt. Dann folgt eine Besichtigungstour durchs Haus. Wenig später steht die 18-Jährige schon in der Küche und hilft, die Spülmaschine auszuräumen.

Inzwischen sind zwei andere Mädchen eingetroffen, und Ulrike Kloos hat sich mit allen aufs Ledersofa gesetzt, um aus dem Buch "Olli der Krachmacher" vorzulesen. Eine Maus kommt auch in der Geschichte vor, und Pauline erzählt: "Oma hat Angst vor Mäusen." Es geht um Stille in dem Bilderband, aber mit der Ruhe ist es bald dahin, denn jetzt geht es Schlag auf Schlag: Antonia, Juliane und Johanna stürmen herein, drei Schwestern, drei, fünf und sechs Jahre alt. Mutter Birgit Herbst ist Zahnärztin: "Es ist super, dass alle drei in einer Einrichtung sind, mit Krippe und Kindergarten, sonst müsste ich morgens noch mehr herumfahren."

Dann kommen noch Sophia und Lea, die sich noch müde die Äuglein reibt. Irgendwie komisch – auf der Grünen Insel scheint es nur Mädchen zu geben. Alle scharen sich um Ulrike Kloos, die inzwischen das Buch "Ohren, Nase, Bauch" zur Hand genommen hat. Doch mit der Aufmerksamkeit ist es nicht mehr weit her: Johanna und Pauline tanzen erst wild herum und wickeln sich dann quietschend vor Vergnügen in die Vorhänge und spielen Geister.

Zehn vor acht taucht der erste Bub auf, der aber eigentlich gar nicht mehr hierher gehört: Benedikt geht schon lange in die Schule, aber in den Ferien darf er ausnahmsweise seine Schwester Simona in den Kindergarten begleiten, den er früher einmal selber besucht hat. Für den Siebenjährigen ist das wie Urlaub auf der Grünen Insel, und stolz liest er seiner Schwester etwas vor. Dann kommen noch zwei Ferdinands zur Tür herein: Der eine setzt sich wie betäubt ans Tischchen, wo schon seine Brotzeitdose liegt, und schaut der ganzen Mädchenhorde zu, regungslos, mit offenem Mund. Dass hier schon so ein Trubel herrscht . . . wo es doch erst kurz vor acht Uhr ist.

Um acht ist Frühstückszeit, und deshalb öffnet auch die kleine Leonie, kaum hat der Papa sie an der Tisch gesetzt, sofort die beiden Plastikdosen, um nachzusehen, was die Mama alles liebevoll hergerichtet hat: Belegte Brote, eine halbe Wiener, eine halbe Karotte und zwei Radieserl, dazu als Nachtisch einzeln abgezupfte Blaubeeren und Johannisbeeren. Mit so einem wundervollen Frühstück fängt der Tag doch gut an.