Mit einem Pikser beginnt der Ernst des Lebens

27.08.2008 | Stand 03.12.2020, 5:39 Uhr

Fußabdruck für den Babypass: Ganz brav lässt der Kleine die Prozedur über sich ergehen.

Ingolstadt (DK) „24 Stunden Ingolstadt“ lautet der Titel der Sommerserie im DK. In zwei Dutzend Geschichten wird jeweils eine Stunde des Tages an einem anderen Ort in Ingolstadt erzählt, um den ganz normalen Alltag zu schildern. Heute: zwischen 2 und 3 Uhr in der Geburtsstation des Klinikums.

Die Uhr im Kreißsaal zeigt 2 Uhr. Der Bub, über dessen Name sich die glücklichen Eltern zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz einig sind, schlummert, in ein Handtuch gehüllt, im Arm seiner Mutter. Die Klemme an der Nabelschnur sieht aus wie eine Schere. Im Kreißsaal sind die Spuren der vorangegangenen Geburt noch deutlich zu sehen. Hebamme Konradi nimmt mit einem beherzten Griff die Plazenta, den Mutterkuchen, der kurz nach der Geburt als Nachgeburt ausgeschieden wird.

Hebammenschülerin Karin aus Geisenfeld reinigt die Mutter. "Ich bin recht fertig, aber glücklich", sagt die 30-Jährige. Ihr Mann hält ein Glas Wasser in der Hand. Er war bei der Geburt dabei. Genau wie beim ersten Kind. "Man fühlt sich ein bisschen hilflos. Mehr als Händchenhalten kann man ja nicht", sagt er. Er strahlt nicht nur aus Erleichterung, weil alles gut gegangen ist, über das ganze Gesicht. Im Kreißsaal herrscht eine ganz besondere Stimmung. Eine Geburt, das Entstehen neuen Lebens – es ist wie ein Wunder.

Am Dienstagmorgen hatte die hochschwangere Frau einen Blasensprung. Einen Tag später hätte die Geburt eingeleitet werden müssen. "Weil sonst das Fruchtwasser Bakterien anzieht", erklärt der Vater fachkundig. Doch eine warme Badewanne und ein entspannendes Mittel haben ihre Wirkung getan. Die Wehen setzten ein, das Baby kamt auf natürliche Weise zur Welt.

Morgens um 7.30 Uhr hat die Schicht von Dr. Miriam Eichler begonnen. Sie dauert 24 Stunden. Wenn sie Glück hat, kann sie dazwischen ein wenig schlafen. In der Stunde zwischen 2 und 3 Uhr ist daran nicht zu denken. Erst einmal muss nach der "vierten, oder ist es die fünfte Geburt", die die junge Ärztin in dieser Schicht begleitet hat, die Mutter versorgt werden. Ihr Mann hält ihr noch einmal tröstend die Hand. Und streichelt mit der anderen liebevoll das Neugeborene.

Derweil diskutieren die Eltern immer noch über den Namen des Buben. Oliver mit dem ersten Namen und Jan mit dem zweiten oder umgekehrt? Mittlerweile liegt der Kleine an der Mutterbrust und nimmt seine ersten Schlucke Milch zu sich. Seine regelmäßigen Atemzüge durchbrechen die Stille im Raum. Dann, um 2.35 Uhr, der erste Schrei – es ist eher ein Krähen.

"Der erste Schrei sollte innerhalb der ersten zwei Stunden nach der Geburt kommen", klärt Hebamme Konradi auf. Schülerin Karin legt den Kleinen auf den Wickeltisch unter eine Wärmelampe. Um 2.50 Uhr beginnt für den Neugeborenen mit einem Pikser der Ernst des Lebens. In seine zarte, rosafarbene Haut bohrt sich eine feine Nadel. Die Hebamme macht einen Blutzuckertest. An der Ferse, weil es da am wenigsten weh tun soll. Der Bub quittiert den Nadelstich mit lautstarkem Geschrei.

Der Kleine ist groß. Das Maßband zeigt 52 Zentimeter Länge und einen Kopfumfang von 35 Zentimetern. Er bringt 3980 Gramm auf die Waage. "Ein gutes Gewicht", sagt Helene Konradi. Sie hält alle Werte in einer Dokumentation fest. Punkt 3 Uhr trägt Oliver Jan (die Mutter hat sich durchgesetzt) seine erste Windel. Hebammenschülerin Karin drückt ein blaues Stempelkissen auf seinen Fuß. Der Abdruck ziert später zusammen mit einem Foto den Babypass.