„Der Kunde ist heute mehr König als je zuvor“

Leopold Stiefel, Mitbegründer des Media Markts, über Geiz und den dramatischen Wandel im Handel

31.05.2013 | Stand 03.12.2020, 0:05 Uhr
Leopold Stiefel: »Wir Händler müssen uns täglich neu erfinden«, sagt er. −Foto: Strisch

Ingolstadt (DK) Er bezeichnet sich schlicht als Kaufmann und war federführender Gründer der Kette Media Markt: Leopold Stiefel. Die Branche war damals geprägt von kleinen Fachgeschäften, als der ehemalige Fröschl-Mitarbeiter zusammen mit Erich Kellerhals das Konzept für den großflächigen Elektromarkt entwickelte. 1979 eröffnete der erste Media Markt in München, drei Jahre später in Ingolstadt.

Dann kam Saturn dazu, und es hieß in der ganzen Republik: „Geiz ist geil“. Im Gespräch mit Redakteurin Suzanne Schattenhofer spricht Stiefel über diesen Werbespruch und den dramatischen Wandel im Handel, den wir im Rahmen unserer Serie „Die Wucht des Wandels“ beleuchten.  Geiz ist geil – was dachten Sie, als Sie diesen Werbespruch von Saturn zum ersten Mal lasen?
 
Leopold Stiefel: Ich dachte, das trifft genau die Stimmung. Das ist provokant und exakt auf den Nenner gebracht. Wir wollten die Sprache der Jugend treffen: Sei nicht dumm, spare. Das war der Zeitgeist von damals und heute noch: sparen, sparen, sparen. Beste Qualität zum günstigsten Preis. Ihre Kaufmannskollegen waren wohl weniger begeistert, denn fortan waren die Schnäppchenjäger unterwegs.
 
Stiefel: Als wir damals mit diesem Spruch begannen, war dieser Geist ja schon vorhanden, da kauften die Leute schon bei Lidl und Aldi. Das „Ich bin doch nicht blöd“ vom Media Markt gab es auch schon viel länger, das ist vor zirka 25 Jahren entstanden. Reiche Leute gelten ja oft als knausrig. Sind Sie selber geizig?
 Stiefel: Nein, ich bin überhaupt nicht geizig, sondern sehr großzügig. Ich spar’ auch, aber ich bin kein Pfennigfuchser. Aber bei Zara oder H & M kauf’ ich kein Teil – wegen der Arbeitsbedingungen und der Kinderarbeit. Ich kann mir das allerdings auch leisten. Bleibt bei all dem Geiz nicht die Qualität auf der Strecke? Gerade Elektrogeräte gelten oft als Wegwerfartikel.
 
Stiefel: Nein, die Qualität leidet in der Elektrobranche gar nicht. Wenn ich ein TV-Markengerät 100 Euro billiger bekomme, leidet doch nicht die Qualität. Auf der anderen Seite darf ich mich nicht wundern, wenn ein Föhn für fünf Euro nicht so lange funktioniert. Aber die Entscheidung treffe ich als Kunde. In der Textilbranche oder bei Schuhen ist das anders, da wirkt sich Geiz negativ aus, weil es Schrottware ist. Was ist denn Ihr ältestes Elektrogerät?
 
Stiefel: Bei mir steht eine Stereoanlage von Braun, die ist locker 25 Jahre alt. Die hat noch keine Fernbedienung, läuft aber immer noch hervorragend. Handel im Wandel – was fällt Ihnen da zum Standort Ingolstadt ein?
 
Stiefel: Der Handel hat sich in den letzten 30 Jahren dramatisch gewandelt. Die Bevölkerung bestimmt den Zeitgeist, wir Händler müssen uns täglich neu erfinden, sonst verschwinden wir vom Markt. Früher ist man zum Radio Appel gegangen, da gab es 10 bis 15 Produkte. Heute geht man in ein Geschäft, und man hat 100 bis 200 Artikel zur Auswahl – wie auf einer Messe. Der Kunde bestimmt, was er kauft, nicht wie früher der Verkäufer durch eine Vorauswahl. Noch nie hatte man so viele Möglichkeiten sich neutral zu informieren, welches Produkt für einen das Beste ist. Der Kunde ist heute mehr König als je zuvor.