Marching
Stählerne Riesen in der Nacht

Acht-Stunden-Einsatz: Zwei Türme für die Gunvor-Raffinerie werden nach Ingolstadt transportiert

22.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:36 Uhr

Foto: DK

Marching/Ingolstadt (DK) Ende gut, alles gut: Trotz einer Hängepartie in Marching und unwirtlichen Wetters erreichten zwei knapp 40 Meter lange Edelstahltürme in der Nacht auf gestern rechtzeitig die Gunvor-Raffinerie in Ingolstadt. Dort ersetzen sie im Rahmen einer TÜV-Revision alte Konstruktionen.

Die Szenerie ist fast schon gespenstisch: Am Horizont tauchen blaue und gelbe Blinklichter auf, die scheinbar schwerelos und losgelöst dahinschweben. Der heftige Regen verwischt die Sicht und macht das Bild unscharf. Und als sich die Stahlkolosse ins Bild schieben, läuft dem Betrachter ein Schauer über den Rücken. Über sieben Meter hoch und über sechs Meter breit klingt schon auf dem Papier riesig.

Das Zeitfenster für den Transport von Dienstag auf Mittwoch war vorgegeben: Start nicht vor 20 Uhr im Kelheimer Hafen (wohin die in Belgien produzierten Rohre per Schiff geliefert worden waren). Ankunft bis 5.30 Uhr bei Gunvor in Ingolstadt. Um 21 Uhr machte sich der Konvoi, ein 137-Tonner mit 14 Achsen und ein 173-Tonner mit 19 Achsen, auf den Weg - eskortiert von Polizeifahrzeugen aus Kelheim und Ingolstadt, von Spezialfahrzeugen einer Begleitfirma, einem Hubkran und Spezialisten für das Entfernen von Straßenschildern.

Kiebitze waren bei dem Schmuddelwetter kaum unterwegs. In Theißing wunderte sich ein älterer Herr über "so viel Verkehr" um kurz nach 4 Uhr in der Früh: "Das haben wir gar nicht gewusst, dass die hier durchfahren." In Marching, wo die erste Engstelle der Reise den Zeitplan durcheinanderzubringen drohte, stand Roswitha Treitinger in ihrem Hof an der Neustädter Straße, keine 50 Zentimeter neben ihr schoben sich die vielrädrigen Kolosse mit ihrer roten und silbernen Stahlfracht Zentimeter für Zentimeter vorbei. "Mir war bekannt, dass sie heute Nacht kommen. Ich warte schon die ganze Zeit", freute sie sich über die nächtliche Abwechslung. Dass etwas kaputtgehen könnte, glaubte sie nicht: "Das sind doch alles Spezialisten." Ansonsten: keine Zuschauer am Straßenrand. Idealzustand für Polizei, Begleitpersonal und Lkw-Fahrer.

Gerhard Müller (173-Tonner) und Thomas Sturm (137-Tonner) waren die Ruhe in Person: "Hier läuft es gerade nicht so gut", sagte Müller in Marching. Später lief es dafür umso reibungsloser. Steter Funkkontakt zu den Männern, die vor, neben und hinter den Schwertransportern die Umgebung beobachteten, ist bei Regen, starkem Wind und Dunkelheit Grundvoraussetzung für einen zwischenfalllosen Transport. "Stopp", "Weiter", "Geht schon" waren für die Fahrer die wichtigsten Walkie-Talkie-Anweisungen der zusätzlichen Augen. Und wenn die 7,30 und 6,40 Meter hohen und 6,20 Meter breiten Lkw doch zu mächtig waren, wurden Telefonleitungen für die Durchfahrt angehoben, Stromkabel stromlos gemacht, Ampeln zur Seite gedreht oder eben auch Verkehrsschilder umgefahren.

Von Fahren war dabei aber eher selten die Rede. Der Geschwindigkeitsmesser in Mindelstetten schickte ein Smiley ins Führerhaus, weil der Konvoi mit 17 km/h durch die 30er-Zone fuhr. Dahinbummeln traf es also mehr. "Wir haben genaue Vorgaben, wo wir langsam fahren müssen", erzählte im Schatten der Kirche in Oberdolling Georg Schmidt aus Aichach, der die Spitze des Transports in einem der drei Begleitfahrzeuge sicherte. "Es gibt klare Anweisungen, unser Bescheid gibt sogar Passagen vor, auf denen maximal mit 5 km/h gefahren werden darf."

Nach dem Engpass in Marching - die Bundesstraße 16 a war nicht passierbar, weil die dortige Brücke das enorme Gewicht nicht gepackt hätte - lief es gut. Abgesehen von ein paar durch die Stahlrohre rasierten Bäumen am Straßenrand.

Die erwarteten Schwierigkeiten am Weltenburger Berg in Kelheim blieben aus. Die Schwertransporter meisterten die Steigungen ohne zusätzliche Hilfe. Und um 6.32 Uhr, als auf den nachts einsamen Straßen allmählich das Leben erwachte und aus theoretisch vier Stunden Fahrzeit acht geworden waren, traf die Lieferung am Werkstor von Gunvor ein. Susanne Ehrnthaler, Pressesprecherin von Gunvor, ist froh, dass die zwei Türme heil angekommen sind. "Die Planungen liefen schon lange Zeit, damit wir dieses große Projekt in die TÜV-Revision einbauen können, wenn die Anlage runtergefahren ist." Ziel dieses Umbaus ist laut Ehrnthaler, die Energieeffizienz zu steigern. "So machen wir einen Schritt in Richtung Zukunft." Die Kosten für die Revision (Türme inklusive) liegen übrigens im zweistelligen Millionenbereich.