Manching
Schwerelos im Airbus

Luftfahrtforum Manching: Vortrag über Parabelflüge des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt

14.11.2016 | Stand 02.12.2020, 19:03 Uhr

Schaummatten und Relinge verhindern, dass die Wissenschaftler im Airbus A 310 Zero G während ihrer Experimente bei Schwerelosigkeit zu Schaden kommen. - Foto: DLR

Manching (DK) Nicht jeder hat das Privileg, in einer ehemaligen Kanzlermaschine mitzufliegen. Die Wissenschaftler und Piloten an Bord des Airbus A 310 Zero G schon. Warum das so ist und noch vieles mehr berichtete Kathrin Stang im Rahmen des Manchinger Luftfahrtforums. "Schwerelos im Himmel - Forschung auf Parabelflügen" lautete das Thema der Molekularbiologin, die beim DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) forscht und am vergangenen Donnerstagabend im Kelten- und Römermuseum einen Vortrag hielt. Die Resonanz war wieder sehr groß, was aber bei den stets informativen und hochkarätigen Vorträgen kein Wunder ist.

Zu Beginn erläuterte Stang, die den Vortrag in Vertretung der erkrankten Projektleiterin Ulrike Friedrich hielt, was Parabelflüge sind. Es handelt sich um spezielle Flugmanöver in sechs Kilometern Höhe, bei denen nach einem extremen Steigflug und anschließender Drosselung in einer Phase des freien Falls bis zu 22 Sekunden Schwerelosigkeit auftritt. "Seit 1999 werden regelmäßig ein bis zwei Kampagnen im Jahr geflogen", so Stang. Bei den bis zu 3,5 Stunden dauernden Flügen werden bis zu 30 Parabeln am Tag geflogen.

Grundsätzlich sind laut Stang Verkehrsflugzeuge für Parabeln geeignet. Doch der A 310 musste für den wissenschaftlichen Einsatz modifiziert werden. "Das Flugzeug ist in der Experimentierzone mit Schaumstoffmatten ausgelegt", erklärte Stang die augenfälligste der über 1000 Änderungen: Die Wissenschaftler könnten sonst während der Schwerelosigkeit anstoßen. Das Flugzeug selbst blickt auf eine interessante Historie zurück: 1989 wurde es vom Hersteller Airbus an die DDR-Fluggesellschaft "Interflug" übergeben und bis 1991 als Linienflugzeug auch von Regierungsmitgliedern genutzt. Dann ging es ins Eigentum der Luftwaffe über und war als VIP-Maschine "Konrad Adenauer" von 1993 bis 2011 für Reisen und Staatsbesuche von Bundeskanzlern und Bundesministern im Einsatz. 25 Jahre nach der Erstzulassung wurde sie umgebaut, es gibt nur noch 40 Sitzplätze ganz hinten. In diesem Zuge erhielt die Zero G als Sonderausstattung im Cockpit einen Beschleunigungsmesser, das "G"-Instrument. Gleich vier sich abwechselnde Piloten steuern das Flugzeug mit dem Ziel, möglichst genaue Parabeln zu fliegen: einer für die Längsachse, einer für die Querachse, einer für die Beschleunigung - und einer hat frei. Laut Stang sei es anfangs schon etwas gewöhnungsbedürftig, während des Flugs einen Piloten zu sehen, wie er durch die Maschine geht. . .

Doch warum haben die Wissenschaftler ausgerechnet an der Schwerelosigkeit so großes Interesse? "Die Schwerkraft ist die einzige Konstante, die seit Millionen Jahren gleich ist", lautete die Antwort von Stang. Gelingt es also, diese Kraft auszuschalten, ermöglicht dies einzigartige Forschungsmöglichkeiten. Hunderte Experimente etlicher Fachrichtungen haben Wissenschaftler aus vielen Ländern schon im Airbus A 310 Zero G durchgeführt. Die Bandbreite ist enorm: Das Gießen von speziellen Metalllegierungen, die Kühlung von Elektronik, die Entfaltung einer Satellitenantenne, die Auswirkungen der Gravitation auf die Biologie sowie diverse Tests am Menschen bilden nur eine kleine Auswahl. Auch für die Altersforschung sind die Tests interessant.

Wie Stang weiter erläuterte, ist die Zero G aber nur eine Plattform für Schwerelosigkeit. Ein Fallturm in Bremen ermöglicht ein paar Sekunden, spezielle wissenschaftliche Raketen bis zu zwölf Minuten ohne Erdanziehung. Wiedereintrittssatelliten oder die Raumstation ISS ermöglichen Zeiträume von einigen Wochen bis zu ein paar Monaten.