stadtgeflüster
Letzte Ausfahrt Buxheim

23.04.2018 | Stand 02.12.2020, 16:31 Uhr

(sic) Der Herr Ministerpräsident hielt das Steuer fest in der Hand.

Zehn Jahre ist es nun schon bald wieder her, dass Günther Beckstein, der Easy Rider aus Hersbruck, bei der Donau Classic Rallye rund um Ingolstadt an den Start ging. Natürlich höchstpersönlich. Der bayerische Regierungschef, im Amt seit neun Monaten, hatte an jenem 21. Juni 2008 die Landtagswahl im September fest im Blick, als er auf der Audi Piazza Gas gab. Beckstein wollte werbewirksame Bilder liefern: Unser Landesvater, spursicher, volksnah und total innovativ, umkränzt von einem glorreichen CSU-Dreieinhalbgestirn. Günther gab alles.
Gut, symboltechnisch gesehen führte diese Oldtimertour allerdings in den Graben. Auf dem Beifahrersitz: Kultusminister Siegfried Schneider (muss man nicht kennen). Rechts auf der Rückbank Ex-Innenstaatssekretär Hermann Regensburger, links OB Alfred Lehmann und in der Mitte der Herren Ex-CSU-Stadträtin Nesrin Yilmaz, die Beckstein immerfort duzte. Und dann dieses Auto. Ein schwarzgelber Horch 930 V Cabrio, Baujahr 1939. Schwarzgelb. Ausgerechnet. Da deutete sich das Desaster im Herbst schon an. An jenem Sommertag ahnte Beckstein aber noch nichts. Sonnigen Blicks chauffierte er seine Fahrgäste bis Buxheim. "Ein Hauch von Freiheit umweht den Landesvater", meldete der DK. Und wie. Sieger on the road.
Bei der Landtagswahl am 28. September 2008 sackte die CSU auf 43,4 Prozent (minus 17,3 Prozentpunkte). Damit war die Ära Beckstein nach 15 Monaten schon zu Ende. Horst Seehofer beerbte den Mittelfranken. Die CSU musste - der größte anzunehmende Unfall - mit der FDP koalieren. Schwarzgelb. Seither nennt man die 44-Prozent-Marke CSU-intern "Todeslinie" oder auch "Beckstein-Linie".
Am vergangenen Freitag war wieder ein bayerischer Ministerpräsident im Wahlkampfmodus am Steuer eines Kraftfahrzeugs in Ingolstadt unterwegs: Markus Söder. Doch der großzügig-geltungsbewusste Nürnberger, der ohne perfekte mediale Inszenierung nicht mal einen Toaster bedient, machte symbolpolitisch-ikonografisch alles richtig: Auf der Autobahn nahm er ganz cool die Hände vom Lenkrad, weil der Audi A7 autonom die Spur hielt. Die Botschaft: Unser Bester kann dank überlegener bayerischer Technologie tatsächlich mal kurz die Kontrolle abgeben, ohne dass etwas passiert.

In der Stadt musste er dann wieder selber fahren. OB Christian Lösel und Audi-Personalvorstand Wendelin Göbel wiesen Söder den Weg, weshalb die drei prompt eine halbe Stunde zu spät zu ihrem Termin in der Hochschule kamen. Angeblich seien sich seine Mitfahrer über die kürzeste Route nicht einig gewesen, verriet der Ministerpräsident am Ziel. "Und dann dauernd die roten Ampeln. Also da sollten wir noch dran arbeiten. " Riesenstimmung im Saal.
Jetzt muss Söder bei der Landtagswahl am 14. Oktober nur noch die Beckstein-Linie überwinden. Sonst lenkt in Zukunft vielleicht jemand anderes.
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