Kösching
"Es brennt an einigen Stellen"

Alexander Hansen über seine Pläne als neuer Ärztlicher Direktor der Klinik Kösching

14.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:42 Uhr
Viele Pläne für die Klinik Kösching: Prof. Dr. Alexander Hansen, Ärztlicher Direktor. −Foto: Stephan

Kösching (DK) Im November hat Prof. Dr. Alexander Hansen das Amt des Ärztlichen Direktors von Matthias Breidert übernommen. In diesen ersten fünf Monaten hatte er Zeit, um sich neu zu orientieren und sich einige ehrgeizige Ziele zu setzen. Mit unserer Zeitung sprach der 48-Jährige über diverse Ausbaupläne sowie Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel.

Herr Hansen, war der Ärztliche Direktor ein Posten, den Sie angestrebt haben, oder hat sich das durch den Weggang Ihres Vorgänger so ergeben?

Prof. Dr. Alexander Hansen: Beides. Die Funktion des Ärztlichen Direktors ist kein Amt auf Lebenszeit, sondern rotiert alle paar Jahre zwischen den Chefärzten. Vorher war ich Geschäftsführender Chefarzt ausschließlich für die Innere Medizin, sodass das neue Amt nicht völlig überraschend kam. Ich war in enger Absprache mit dem ehemaligen Ärztlichen Direktor in die Geschäfte mitinvolviert, sodass ich nicht bei Null angefangen habe, sondern schon reingewachsen bin.

 

Viele Ihrer neuen Aufgaben sind sicher administrativer Natur. Kommt da die handwerkliche Medizin nicht zu kurz?

Hansen: Das ist die Gefahr. Ich bin eigentlich kein Verwaltungsmensch, sondern Mediziner. Ich möchte möglichst nah am Patienten arbeiten. Als Chefarzt hat man schon viele Verwaltungsaufgaben, die einen von der Patientenarbeit abhalten. Das ist als Ärztlicher Direktor noch mehr geworden. Aber ich denke, dass ich immer noch genug Zeit für meine Patienten habe. Matthias Breidert hat mir das Amt sehr gut übergeben und keine riesigen Baustellen hinterlassen, sodass ich hier nicht alles neu erfinden muss. Aber ich habe eigene Ideen, die ich umsetzen will. Gerade in den ersten Monaten gab es schon Gespräche mit verschiedenen Abteilungen.

 

Anlässlich seines Abschieds riet Matthias Breidert seinem Nachfolger, einen eigenen Stil zu finden. Haben Sie denn einen?

Hansen: Ich habe als Chefarzt meinen Stil seit zehn Jahren, der sicherlich anders ist als der von Herrn Breidert. Ich bin viel im Ausland gewesen. Dort habe ich gesehen, dass hierarchische Strukturen, die in Deutschland selbstverständlich sind, in anderen Ländern gar nicht in dieser Form gelebt werden. Wovon ich immer ganz begeistert war, waren die flachen Hierarchien in Schweden. Die bedeuten aber auch, dass die Mitarbeiter mehr Aufgaben bekommen und frühzeitig Verantwortung übernehmen müssen. Das ist nicht immer eine Erleichterung für sie. Das lebe ich so seit zehn Jahren und will das als Ärztlicher Direktor fortführen.

 

Was sind denn Ihre Pläne für die nächste Zeit?

Hansen: Es gibt einige Stellen, wo's brennt. In der Angiologie zum Beispiel will ich über ein Gefäßzentrum eine stärkere Vernetzung schaffen, indem wir unsere kompetenten Partner aus verschiedenen Abteilungen noch stärker konzentrieren. Bisher musste der Patient viel zum Arzt kommen. Jetzt kommt der Arzt noch stärker zum Patienten. Bei der Intensivstation gab's in den letzten Jahren auch schon sehr viele Umbauvorgänge, Modernisierungen. Da sind wir dabei, das personell in eine neue Gesamtverantwortung zu legen. Auch die Fußambulanz soll ausgebaut werden. Man muss sagen, die ist bisher aus allen Nähten geplatzt. Wir wollen die Räumlichkeiten vergrößern, ebenso zusätzliches Personal einstellen. Das ist schwierig beim jetzigen Arbeitsmarkt. Wir haben offene Stellen im Bereich der Pflege, im Bereich der Ärzte. Da müssen wir schon dranbleiben, dass wir die nachbesetzen können.

Das sind wohl die Auswirkungen des Fachkräftemangels in der Medizin.

Hansen: Das merken wir, das merken auch andere Kliniken massiv. Es fehlt an Fachkräften von der untersten bis zur obersten Stufe. Es gibt keinen Bereich, bei dem wir sagen, wir haben eine Überversorgung. Man braucht viel Zeit für Personalakquise. Das ist etwas, das mich im Moment enorm beschäftigt. Rumtelefonieren mit Bekannten, anderen Kliniken, Headhuntern. Es sieht gut aus, wir können alle Stellen nachbesetzen. Aber es ist nicht so wie vor zehn Jahren, als man aus dem Vollen schöpfen konnte. Man muss den Mitarbeitern auch mehr anbieten. "Hire and fire" war einmal, jetzt muss man schon sehen, wie kann man gute Mitarbeiter binden kann, durch eine gute Ausbildung, auch durch Arbeitsstrukturen.

 

Inwieweit war das zu vergangenen Zeiten anders?

Hansen: Früher habe ich bis 22 Uhr gearbeitet, und keinen hat's interessiert. Heute würden alle sofort wegrennen, wenn sie zu meinen damaligen Bedingungen arbeiten müssten. Was mit den jetzigen Arbeitszeitschutzgesetzen gar nicht mehr möglich wäre. Das ist schwer mit dem Klinikalltag zu verbinden. Ein Notfall hält sich nicht an Arbeitszeitschutzgesetze.

 

Medizin wird immer weiblicher. Gibt es da Stellen, an denen Sie ansetzen müssen?

Hansen: Ein weiteres Beispiel. Früher waren in der Kardiologie fast ausschließlich Männer tätig, heute haben wir immer mehr Frauen. Der überwiegende Anteil der Assistenzärzte sind Frauen, die Familie bekommen, nach dem Mutterschaftsurlaub wieder zurückkommen. Viele wollen nur vormittags arbeiten, denn es gibt das Problem mit der Kita. Wenn die Kita zumacht, müssen die Eltern ihre Kinder abholen. Da gibt es wenig Unterstützung. Wir haben viele Arbeitsmodelle, um uns auf den wandelnden Arbeitsmarkt einstellen zu können. Man muss neue Wege gehen, sonst kann man die Klinik schließen.

 

Sie halten viele Vorträge außerhalb des Hauses. Wie wichtig ist es, auch mal draußen auf die Menschen zuzugehen?

Hansen: Das macht Spaß, weil die Menschen extrem interessiert sind. Das ist gerade für die Prävention wichtig. Die Menschen sollen nicht kommen, wenn's zu spät ist, sondern sich frühzeitig informieren und Gesundheitsvorsorge machen. Vieá ?le Krankheiten kann man früh erkennen und dann behandeln. Ein Schlaganfall kommt selten aus heiterem Himmel, da gibt es oft Vorboten wie Sprach- oder Sehstörungen. Aber oft heißt's, das ist ja weggegangen, passt schon. Und dann kommt nach einem halben Jahr doch der große Schlaganfall. Wenn man rechtzeitig kommt, kann man mit kleineren Maßnahmen und kurzem Krankenhausaufenthalt viel mehr wieder richten.

 

Können Sie diese Gelegenheiten dazu nutzen, die Sorgen der Menschen aufzunehmen?

Hansen: Was man da merkt: Hausärzte, aber auch Krankenhausärzte, haben immer weniger Zeit. Viele Patienten werden dann bei mir Fragen los, bei denen sie von Hausärzten oder Krankenhausärzten abgewürgt wurden. Immer mehr Patienten müssen in immer weniger Zeit durchgeschleust werden. Wir haben diese Fließbandmedizin, die sich immer stärker durchsetzt. Viele nehmen dann die Gelegenheit wahr, mich das zu fragen, was sie sich sonst aus Zeitgründen gar nicht getraut haben bei ihrem Hausarzt.

 

Welche Rolle spielt da Ihr Amt des stellvertretenden Vorsitzenden des Freundeskreises der Klinik, das Sie auch im November übernommen haben?

Hansen: Es ist schön zu sehen, wie das Krankenhaus unterstützt wird. Wir haben konstant über 100 Mitglieder, mal mehr, mal weniger. Das ist für einen Markt wie Kösching eine ordentliche Zahl, die zeigt, das Krankenhaus wird angenommen. Da geht es um die Symbolkraft, zu sagen, wir stehen hinter dem Krankenhaus, wir wollen vor Ort ein Krankenhaus haben. Die Tendenz geht dazu, Krankenhäuser immer mehr zu zentrieren. Aber die Menschen wollen vor Ort auch einen Friseur haben, einen Bäcker, und nicht nach Ingolstadt oder noch weiter fahren. Das ist ein Ausdruck, dass die Bevölkerung hinter ihrem Krankenhaus steht.

 

Das Gespräch führte Tanja Stephan.
 

Ärztlicher Direktor

Der Ärztliche Direktor vertritt in der Klinikleitung ärztliche Angelegenheiten und medizinische Belange. Er wird aus dem Direktorium vorgeschlagen und für drei Jahre von der Geschäftsführung bestellt. Im November hat Prof. Dr. Alexander Hansen, seit 2007 an den Kliniken im Naturpark Altmühltal, diesen Posten in Kösching übernommen.

Seine Aufgaben als Ärztlicher Direktor umfassen nun die Sicherstellung der medizinischen Versorgung, die Mitwirkung beim Stellenplan, bei der Überwachung des internen Budgets für die medizinischen Bereiche und der Förderung der kooperativen Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen. Außerdem trägt der 48-Jährige die Verantwortung für die Umsetzung gesetzlicher Vorschriften des medizinischen Bereiches. Hansen muss auch die Klinikhygiene und die ärztlichen Meldepflichten überwachen. Er ist dabei in enger Absprache mit den Chefärzten aller Abteilungen in der Klinik, ohne deren Rechte und Pflichten einzuschränken.