Vohburg/Irsching
100 Millionen Liter Gasöl für den Notfall

Stadtrat äußert sich kritisch zu den Plänen von Uniper - Mehr als 3000 Tanklastwagen durch Irsching?

20.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:28 Uhr
Ein Teil des Kraftwerks aus der Luft: Der größere der beiden Tanks am unteren Bildrand fasst 100 000 Kubikmeter. Er soll für die strategische Kraftstoffreserve in Deutschland genutzt werden. −Foto: Uniper

Irsching (DK) Uniper möchte in einem Tank im Gaskraftwerk Irsching 100.000 Kubikmeter Gasöl bevorraten. Mehr als 3000 Tanklastzüge sind nötig, um den Behälter zu füllen. Das hat im Stadtrat Vohburg am Dienstagabend für jede Menge Diskussionsstoff gesorgt.

Das Problem ist bekannt. Seit Jahren schon wird im Kraftwerk Irsching kaum mehr Strom produziert. Die Anlage kann mit den günstigen Preisen an der Strombörse nicht mithalten. „Es ist nicht absehbar, dass wir wieder am Markt teilnehmen können“, sagte Oliver Schwadtke. Er muss es wissen, er leitet das Kraftwerk. Es ist frustrierend für ihn und die 60 Mitarbeiter. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, das Kraftwerk zu warten, damit es einsatzbereit ist, wenn in einer unbestimmten Zukunft das Gaskraftwerk wieder benötigt wird. Bis dahin türmen sich die Verluste jeden Tag höher.

Um doch Geld zu verdienen, ist den Verantwortlichen eine Idee gekommen: die strategische Kraftstoffreserve. Eine Behörde in Hamburg kümmert sich darum, dass, in Deutschland verteilt, Gasöl eingelagert wird. Diese Reserve ist gesetzlich verankert und soll dazu dienen, einen kurzfristigen Versorgungsengpass zu überbrücken.

Da trifft es sich gut, dass in Irsching ein Tank mit einem Fassungsvermögen von 100.000 Kubikmetern nicht gebraucht wird. Schwadtke hat deshalb den Tank bei der Behörde angeboten und die Chancen stehen gut, dass er gemietet wird, zunächst für fünf Jahre. Der Haken an der Sache ist die Erstbefüllung, das Gasöl muss ja irgendwie in den Tank hineinkommen. Das geschieht mit Tanklastern, die von Montag bis Samstag, jeweils von 6 bis 22, Uhr das Gasöl liefern. Da es eine halbe Stunde dauert, bis der Lkw entleert ist, bedeutet das ein zusätzliches Verkehrsaufkommen von 30 Tanklastern, also 60 Fahrbewegungen (Hin- und Rückfahrt). Wenn das Gasöl einmal im Tank ist, reduziert sich der Verkehr erheblich, kommt aber nicht zum Stehen. Das viele Öl, immerhin 100.000.000 Liter, muss frisch gehalten werden. Dazu ist ein jährlicher Austausch von etwa zehn Prozent der Menge nötig, schätzte Schwadtke. Je nach veranschlagtem Zeitraum sind das ein bis fünf Tanklaster pro Tag.

Kraftwerksleiter Schwadtke hat den Sachverhalt ruhig und sachlich dem Stadtrat vorgestellt und um Zustimmung für das Vorhaben geworben. Dass er nicht mit offenen Armen empfangen werde, damit habe er gerechnet, sagte Schwadtke. Das dürfte noch diplomatisch ausgedrückt sein, denn fraktionsübergreifend wurde das Projekt kritisch gesehen. Bürgermeister Martin Schmid (SPD) mühte sich zumindest um Verständnis und sagte, dass man eine Lösung finden müsse. Ernst Müller (FW) stellte dagegen gleich die gesamte Ölbevorratung in Deutschland infrage, Werner Ludsteck sagte: „In Irsching wohnen Menschen, die dadurch massiv beeinträchtigt werden.“ Er verwies darauf, dass es mehr als 3000 Gefahrguttransporte seien. „Das geht gar nicht“, sagte er und sah es als „vollkommen ausgeschlossen an, zuzustimmen“. Es gehe um eine Abwägung zwischen wirtschaftlichen und menschlichen Interessen, erläuterte er weiter. Und da gebe er den menschlichen eindeutig den Vorrang.

Schwadtke zeigte Verständnis für die Einwände, betonte aber, dass der Verkehr nach der Erstbefüllung deutlich nachlassen werde. Während SPD-Fraktionssprecher Oliver Rechenauer dafür warb, einen Kompromiss zu finden und auch an die 60 Arbeitsplätze zu denken, äußerte sich seine Fraktionskollegin Sabine Brunnhuber mehr als deutlich. „Es reicht“, wetterte sie. Die Irschinger hätten schon genug Beeinträchtigungen durch das Kraftwerk hinnehmen müssen. „Als Irschingerin stimme ich dagegen!“ CSU-Sprecher Xaver Dietz hielt das Argument zu den Arbeitsplätzen für fadenscheinig, weil die Ölbevorratung an der grundsätzlichen Situation des Kraftwerks nichts ändern wird. Aus seiner Sicht ist auch zu wenig Zeit, um sofort darüber zu entscheiden. Es seien zu viele Fragen offen, fügte er hinzu und plädierte für weitere Gespräche. Sepp Steinberger (AV) äußerte ebenfalls massive Bedenken und fragte, warum es nicht möglich sei, eine Direktleitung von Bayernoil zu installieren und das Gasöl auf diesem Weg zu transportieren. Schwadtke zeigte mehrere Aspekte auf, warum das nicht möglich sei.

Bürgermeister Schmid beendete letztlich die Diskussion, weitere Gespräche sollen folgen. Er schloss aber bereits aus, dass die Stadt eine Strecke mitten durch Irsching akzeptieren werde. Das dürfte aber zu einem Problem werden. Denn die Anlieferung über die Keltenstraße am östlichen Ortsrand führt über eine Brücke, die aktuell nur für 16 Tonnen ausgelegt ist. Auch über die Fahrzeiten will die Stadt noch reden. Aufgrund dieser offenen Fragen hat der Stadtrat das Vorhaben zunächst abgelehnt, es wird erneut vorgelegt werden.

Dabei wurde deutlich, dass es für die Stadt Vohburg auf lange Sicht schwierig werden dürfte, das Vorhaben zu verhindern. Für die Genehmigung ist die Regierung von Oberbayern verantwortlich.

BEVORRATUNG  IM  GASKRAFTWERK  IRSCHING

Die Stadt Vohburg ist vom Landratsamt aufgefordert worden, eine Stellungnahme zum Antrag auf vorzeitigen Baubeginn abzugeben. Dabei geht es um folgende Maßnahmen im Kraftwerk Irsching: Errichtung eines Wendeplatzes für Tankfahrzeuge, Errichtung der Annahme-, Pump-, Mess- und Regelstation, Errichtung von Rohrleitungen, Armaturen und Geräte am Tank, Rückbau der bestehenden Rohrleitungsverbindung zum Nachbartank.

Der Tank selbst ist laut Kraftwerksleiter Oliver Schwadtke bereits vorbereitet. Die zulässigen Lärmwerte werden laut einem Gutachten des TÜV eingehalten. Laut Schwadtke könnte die Bevorratung frühestens im Sommer 2018 starten. Nach diesen Plänen soll der Tank zunächst zur Hälfte gefüllt werden, der Zeitaufwand dazu beträgt demnach maximal 55 Werktage. Uniper tritt dabei nur als Vermieter des Tanks auf, der Inhalt bleibt im Eigentum des Mieters. Diesem ist es nach den gesetzlichen Grundlagen erlaubt, mit bis zu 5000 Kubikmetern des Gasöls Handel zu treiben. Das entspräche einer zusätzlichen Belastung von rund 20 Tanklastwagen innerhalb eines Zeitraums von etwa zwei Wochen, wie Schwadtke erläuterte. | mms