Ingostadt
Im Streit um GEZ-Gebühren erpresst 44-Jähriger den Gerichtsvollzieher

Mit den Worten eines "Reichsbürgers"

07.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:59 Uhr

Ingostadt (DK) Vorsorglich hatte sich ein Wachtmeister des hiesigen Amtsgerichts schon im Saal positioniert. Sicher ist sicher, wenn es um das Thema Reichsbürger geht, das die Justiz spätestens seit den tödlichen Schüssen von Georgensgmünd in großem Stil beschäftigt.

Wie schnell man (auch unbeabsichtigt) in die Ecke jener Szene gerät, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland verneint und ihre rechtstaatlichen Strukturen ablehnt, das musste wiederum ein 44-jähriger Ingolstädter erleben. Er lieferte dem Amtsgericht und Richter Peter Hufnagl gestern einen außergewöhnlichen Fall, woran seine Wortwahl in einem Brief die Hauptursache war - denn sein Schreiben an einen Gerichtsvollzieher in Ingolstadt fasste die Justiz als Erpressung auf.

Hintergrund für den ganzen Zirkus ist der vielleicht sogar verständliche Punkt, den das Gericht nachvollziehen konnte: Der selbstständige Ingenieur will keine GEZ-Gebühren zwangsweise zahlen, "sondern nur für das, was ich auch nutze". Seit 14 Jahren sei sein Haushalt so gut wie medienfrei. Als nun die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die vorgeschriebenen Gebühren bei dem säumigen Zahler eintreiben wollten, schrieb der Angeklagte dem damit beauftragten Gerichtsvollzieher: Der müsse schon bitte die Existenz von BRD, Freistaat Bayern und Stadt Ingolstadt jeweils mit notariellen Beglaubigungen der Gründungsurkunden bei ihm nachweisen. Falls er das innerhalb von 72 Stunden nicht erfülle, akzeptiere der Staatsbedienstete ein Pfandrecht in Höhe von 500.000 Euro gegen sich und stimme auch "einer Veröffentlichung in einem frei wählbaren internationalen Schuldnerverzeichnis zu", wie Oberstaatsanwalt Günter Mayerhöfer aus dem Brief des 44-Jährigen zitierte. Und falls der Gerichtsvollzieher noch einmal Kontakt aufnehme, würden Kosten von mehreren Zehntausend Feinunzen Silber entstehen.

Nachdem die 72-Stunden-Frist abgelaufen war, schickte der GEZ-Gegner tatsächlich eine Rechnung über 1050 Feinunzen Silber an den Gerichtsvollzieher - beim gestrigen Stand von etwas mehr als 15 Euro pro Feinunze (bei gut 31 Gramm) eine Forderung über 15.000 Euro.

Gründungsurkunden? Feinunzen Silber? Das lasse ganz klar auf das Reichbürger-Milieu schließen, sagten Richter und Oberstaatsanwalt. Und da versteht der Staat keinen Spaß. Das dämmerte dem 44-Jährigen auch. Er habe in keiner Weise die Absicht gehabt, den Gerichtsvollzieher zu schädigen, sagte er gestern vor Gericht und entschuldigte sich persönlich. Mit der Reichsbürger-Szene habe er nichts am Hut, versicherte er mehrfach. Das vorformulierte Schreiben übernahm er wohl "sehr gedankenlos" aus dem Internet oder von einer anderen Quelle, wie Ankläger Mayerhöfer sagte. Da der Angeklagte sich klar von Reichsbürgern distanziere und auch sonst einsichtig sei, könne man auf eine Verurteilung verzichten. Auf Mayerhöfers Antrag hin stellte Richter Hufnagl das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage von 1500 Euro ein.

Dem Mann auf der Anklagebank gab er in Sachen GEZ-Gebühren noch mit auf den Weg: "Der örtliche Gerichtsvollzieher ist nicht der richtige Gegner, um das auszutarocken." Seinen Kampf will der kommunalpolitisch aktive Ingolstädter ("Der Rundfunk gehört reformiert") nun über seine Partei vorantreiben. Hufnagl stimmte zu: "Wenn Sie das machen wollen, dann ist das der richtige Weg." Und nicht der über erpresserische Briefe. Wachtmeister im Gerichtssaal braucht es dann auch nicht.