Ingolstadt
Der Streit um die Hanfpflanze

Fünf Wochen hat die AOK Cannabis für chronisch kranken Ingolstädter bezahlt – jetzt nicht mehr

13.12.2013 | Stand 02.12.2020, 23:18 Uhr

Der Ingolstädter Luigi Spangenberg ist chronisch krank. Er setzt voll auf Cannabis - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Mittels Gerichtsbeschluss hatte der chronisch kranke Luigi Spangenberg bewirkt, dass seine Krankenkasse ihm nach ärztlicher Verordnung cannabishaltige Produkte bezahlen muss. Fünf Wochen lang hat die AOK die Kosten dafür übernommen. Jetzt wurde die Zahlung eingestellt.

„Nicht ansprechen. Bin schlecht drauf“, steht auf dem T-Shirt des 29-Jährigen, der an Epilepsie und Reizdarm leidet. Luigi Spangenberg ist blass und abgemagert. Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, krampfartige Schmerzen – all dies zehrt sichtbar an ihm. Tagelang hat der Ingolstädter nicht schlafen können. Seinen Beruf als Programmierer kann er schon lange nicht mehr ausüben. Vor einiger Zeit ging es ihm besser. Cannabishaltige Medikamente und später Tees und Inhalationen aus nach ärztlicher Verordnung genau dosierten Cannabisblüten haben gut angeschlagen: „Der Durchfall und das Zittern waren weg, ich hatte keine Krampfanfälle, auch kein Erbrechen. Sogar schlafen hab ich können“, erzählt Spangenberg. „Es war wie eine Erlösung für meinen Körper.“

Herkömmliche Medikamente, die die Kasse bezahlt hätte, wirkten bei Luigi Spangenberg nicht. Der DONAUKURIER hatte bereits Ende September über den Fall berichtet. Der schwer kranke Mann wandte sich schließlich an den Rüthener Arzt Franjo Grotenhermen. Der Vorsitzende der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin ist von der Wirksamkeit der Hanfpflanze überzeugt – vor allem bei Luigi Spangenberg. Schon damals hatte die AOK die Zahlung teurer cannabishaltiger Medikamente, die als Übergangslösung gedacht waren, bis Spangenberg von der Bundesopiumstelle die Erlaubnis für kontrollierten Cannabiskonsum hatte, verweigert. Spangenberg schaltete einen Anwalt ein. Das Sozialgericht in München fasste schließlich den Beschluss, dass die Kasse – zumindest für einen bestimmten Zeitraum – cannabishaltige Medikamente oder Produkte bezahlen muss. Weil Spangenbergs Hausarzt nach einem Hausbesuch am 15. Oktober bescheinigte, dass bei seinem Patienten Lebensgefahr bestehe. Gegen diesen Gerichtsbeschluss hat die AOK Beschwerde eingelegt – und die Zahlungen eingestellt. „Da es sich um ein laufendes Sozialgerichtsverfahren handelt, bitten wir um Verständnis, dass wir zum Inhalt der Beschwerde nicht Stellung nehmen können“, ließ die Kasse am Freitag verlauten. Man sehe „mit Sorge, dass Herr Spangenberg diese risikobehaftete Therapie bevorzugt, anstatt sich einer umfassenden fachärztlichen, insbesondere neurologischen Behandlung zu unterziehen“.

Doch herkömmliche Medikamente zeigen bei dem Ingolstädter eben keine Wirkung, was Grotenhermen dem DK schon im September bestätigt hat. Die Cannabisblüten mit einem Privatrezept in der Apotheke zu kaufen, kann sich Spangenberg nicht leisten. Das Einkommen seiner Mutter, die ihn mitfinanziert, liegt auf Hartz-IV-Niveau. Und die verordnete Menge Cannabis kostet pro Monat 1122 Euro.

Luigi Spangenberg ist verbittert. „Die Medizin, die mir das Leben rettet, wird mir verweigert“. Er wertet das Verhalten seiner Kasse als „unterlassene Hilfeleistung“. Gegen den Widerspruch der AOK hat sein Anwalt Rechtsmittel eingelegt. Die Klageschrift ist beim Sozialgericht bereits eingegangen, seine Prozesskostenhilfe ist genehmigt. Luigi Spangenberg geht jetzt aufs Ganze. Er will sich an Bundeskanzlerin Angela Merkel wenden und eine Petition für die Legalisierung von Cannabis für medizinische Zwecke starten. „Entweder die legalisieren das in Deutschland oder ich beantrage Sterbehilfe in Belgien.“ Weiter so leiden wie bisher will er nicht.