Ingolstadt
Grand Menue für Generationen

Dem Hotel Rappensberger droht ein trauriges Ende – die lange Geschichte des Hauses war um so erfreulicher

21.12.2011 | Stand 03.12.2020, 2:01 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Hier an der Harderstraße Nummer 3 war die Menschlichkeit zu Hause, da gab es keine Zweifel. Hier hatte ein gütiger Arbeitgeber ein Herz für seine Belegschaft! Und es stand ja auch in der Zeitung: „Um den Ansprüchen meiner Angestellten gerecht zu werden“, schrieb der Rappensberger-Wirt Anton Geier 1950 in einem DK-Inserat, „sehe ich mich gezwungen, den Ruhetag wieder einzuführen.“ Geier versicherte aber: „Der Hotelbetrieb erleidet keinerlei Einschränkungen!“

Im Gegenteil. Das Haus, welches in seiner ruhmreichen Geschichte dreimal abgebrannt ist (1690, 1850 und 1927, was im bayerischen Beherbergungswesen einen Rekord bedeuten dürfte), erblühte nach dem Krieg rasant. Derart rasant, dass Geier zu einem ebenso oft wie gern gesehenen Anzeigenkunden des DK avancierte, denn er suchte permanent Personal. Mal „fleißige Metzgerburschen“, später einen „ehrlichen, zuverlässigen Hausmeister und eine perfekte Bedienung“ plus Zimmermädchen en masse. Das berufliche Spektrum schien breiter zu sein als heute. Im Inserat vom 4. Juli 1950 hieß es: „Biermädchen gesucht“; wie sich die Damen für diese zweifellos anspruchsvolle Tätigkeit qualifizieren konnten, hat sich leider nicht mehr recherchieren lassen.

Drei Tage vorher war das Hotel auf den freien Markt zurückgekehrt. Lange hatten darin Besatzer aus den USA logiert. Das Rappensberger beflügelte den Fremdenverkehr. 1948 zählten die Statistiker 1724 Übernachtungen in der ganzen Stadt, Ende 1949 waren es schon 3627. „Da bisher nur 214 Hotelbetten in Ingolstadt standen“, meldete ein besorgter Chronist, „mußten noch immer viele Fremde in der Umgebung Unterkunft suchen. Ab Juli wird nun auch das Rappensberger mit 60 Betten wieder zur Verfügung stehen.“

Auch gesellige Einheimische kamen gern. Manche wohl deswegen, weil der Name für Lebensfreude stand. Kannte man doch schon den Rappensberger Keller an der Proviantstraße 22, wo die Schanzer nach dem Krieg Theater spielten und unbefangen feierten. Von einem Trinkgelage berichtete der DK erstmals 1954: „Am Samstag wurde der St.-Emmerams-Bock der Schäffbrauerei in den Räumen des Hotels Rappensberger gebührend der alten Tradition feierlich angestoßen. Zahlreiche Anhänger der schäumenden Maß fanden sich an der „Quelle“ ein. Der kühle Trunk erheiterte bald, während ein Trio mit Schrammelmusik unterhielt. Erst zu später Stunde konnte man sich von dem edlen Tropfen trennen.“ So weit ein dezenter Reporter des DK. Doch selbst, wenn sie heftig zechten damals, dann sicher auch zum Wohl des Wirtschaftswunders!

Namhafte Schanzer Künstler – Johannes Eppelein etwa, Alois Schölß, Karl Geier oder Friedrich Bierschneider – verkehrten hier auch gern; sie sollen nicht die fadesten Gäste gewesen sein.

Das Haus avancierte zum ersten am Platze. Den Kurs in die gehobene Kategorie gab Geiers Tochter Maria vor; sie hatte 1953 den Hotelier Georg Geberl aus Bamberg geheiratet. Das Paar übernahm die Führung. In bester Investitionslaune nährten die Geberls den Ruf des Rappensberger mit einer exquisiten Küche auf der Höhe der Zeit.

1965 durften sich Gäste, die das Grand Menue orderten, auf diese Speisenfolge freuen: Kaviar mit Räucherlachs, legierte Schildkrötensuppe, ein Donauwaller, Poularde als Geflügel. Als Hauptgang: kleines Rinderfilet namens Rossini, garniert mit Champignonköpfen, Trüffel und Gänseleber. Danach Omelette surprise mit dreierlei Sorten Eis. 35 Mark kostete der Spaß. Kein Wunder, dass Chefkoch Dieter Meister als – Wortspiel! – „Meister des Lukull“ gefeiert wurde.

Der Aufstieg des Hauses stand allerdings nicht zwingend zu erwarten. Das heutige Renommee hatte eine Weile auf sich warten lassen. Ungefähr 370 Jahre. Die Gründung des Gasthofs mit Brauerei lässt sich auf das Jahr 1590 datieren. 1637 taucht in den Quellen erstmals ein Rattmannsberger Brauhaus auf – nach dem Herrn Adam Rattmannsberger. 1754 (da war alles schon mal abgebrannt) erhielt die Wirtschaft den Namen Rappensbergerbräu. 1850 war erneut Feuer auf dem Dach, und bald bis hinunter zu den Grundmauern.

Anton Geier, ursprünglich ein Metzgermeister, kaufte das Haus mit der hitzigen Historie 1927. Er war Eigentümer Nummer 17. Doch seine Freude währte nicht lang. Am Dienstag nach Pfingsten ging die Immobilie in Flammen auf. Mehrere Schaulustige sollen im Ascheregen das Wort „Racheakt“ gemurmelt haben;

Geier blickte trotzig nach vorn und investierte. In seinem Auftrag betreuten die kunstsinnigen Architekten Karl August Tinti und Albrecht Uhlmann den Wiederaufbau. Sie schufen die heutige Fassade mit dem markanten grünen Anstrich – ein Wahrzeichen der Harderstraße.

2002 übergaben Maria Geberl, damals 88 Jahre alt, und ihr Sohn Georg die Führung an die Firma HotelGast. Die investierte Millionen, um dem Rappensberger „eine erfolgreiche Zukunft am Markt der Vier-Sterne-Hotellerie zu ermöglichen“, wie Geschäftsführer Stefan Wild ankündigte. Er behielt recht.

Zehn Jahre später droht das Aus. Es steht zu befürchten, dass bald ähnlich die Tränen fließen wie im April 1968, als liebe Gäste aus der Partnerstadt Kirkcaldy im Rappensberger Abschied nahmen. „Voller Wehmut“, meldete – gleichwohl ergriffen – der DONAUKURIER. „Einer zog gerührt sein Taschentuch. Und da die Dolmetscherin die schottischen Sätze noch trauriger wiedergab, waren auch die Ingolstädter fast zu Tränen gerührt.“