Ingolstadt
Kein Ersatz für Ersatzdienstleistende

24.08.2010 | Stand 03.12.2020, 3:45 Uhr

−Foto: Stadik

Ingolstadt (DK) Die Pläne von Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zur Aussetzung der Wehrpflicht haben nicht nur Auswirkungen auf die Bundeswehr. Auch den Zivildienst wird es künftig wohl nur noch auf freiwilliger Basis geben.

In Ingolstadt müssen die sozialen Einrichtungen nun damit zurecht kommen, viele fürchten hohe zusätzliche Kosten. "Wir haben das mit Schrecken vernommen", sagt Joschi Haunsperger, der Pressesprecher des Ingolstädter Klinikums. Rund 80 junge Leute leisten in seinem Haus derzeit ihren Ersatzdienst, vor allem in der Pflege und im Abholservice für die Patienten. "Für uns sind das ganz wichtige Kollegen. Die Verkürzung auf sechs Monate war schon schlecht, fallen die Zivis künftig ganz weg, müssen wir sie durch bezahltes Personal ersetzen. Das ist ein erheblicher finanzieller Mehraufwand." Etwa 40 neue Vollzeitstellen müssten geschaffen werden, um den Wegfall des Zivildiensts aufzufangen. Auf Patienten, die im Klinikum von Station zu Station oder in einen Operationssaal transportiert würden, kämen wohl längere Wartezeiten zu.

Der Malteser-Hilfsdienst beschäftigt derzeit 15 Ersatzdienstleistende. Die meisten von ihnen im Fahrdienst. "Alle paar Monate hat die Politik neue Pläne. Wir könnten schon jetzt mehr Zivis einsetzen, als wir haben", berichtet der Geschäftsführer Stefan Dobhan. Exakte Pläne, wie ein Ende des Pflichtdienstes kompensiert werden könne, gebe es noch nicht. "Wenn wir auf geringfügig Beschäftigte zurückgreifen müssen, wird der wirtschaftliche Druck steigen." Kontinuierliche Bezugspersonen werde es für die Betreuten in diesem Fall nicht mehr geben, weil der Durchlauf dann deutlich größer würde.

Ein freiwilliger Zivildienst zumindest solle bestehen bleiben, schlägt Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) vor. Sie rechnet mit etwa 35 000 Bewerbern pro Jahr, aktuell gibt es 90 000 Zivildienstleistende. Haunsperger schätzt, dass im Klinikum diesen freiwilligen Dienst nur mehr etwa 20 junge Leute im Klinikum leisten werden. "Zwar profitieren Zivis bei uns von kostenlosem Mittagessen, Parken und Bustickets – aber so viel können wir gar nicht bieten, dass für die Masse ein freiwilliger Zivildienst attraktiver wäre als etwa ein sofortiger Beginn des Studiums." Auch eine Vergütung von 500 Euro pro Monat, die Schröders Vorschlag vorsieht, dürften nicht allzu verlockend sein. Malteser-Chef Dobhan hofft hingegen, dass das Kapitel Zivildienst für seine Einrichtung noch nicht beendet ist: "Wir sind in Ingolstadt recht bekannt, vielleicht kommen die jungen Leute trotzdem weiter zu uns."

Das Hollerhaus hat eigentlich zehn genehmigte Zivildienststellen, vier davon sind derzeit nur besetzt – in der Förderstätte für Behinderte und der Schulbegleitung. "Der Kostendruck ist enorm. Wenn wir die Zivis durch festes Personal ersetzen müssen, wird es viel teurer. Entweder brauchen wir dann höhere öffentliche Zuschüsse, die Entgelte für die Betroffenen steigen oder es geht zu Lasten der Qualität unserer Betreuung", klagt Reinhard Mußemann, der Geschäftsführer des Hollerhauses.

In anderen Einrichtungen, deren Schwerpunkt auf einer persönlichen Bindung zwischen Betreuern und Betreuten liegt, stellt die aktuelle Entwicklung hingegen gar keine besondere Zäsur dar. So hatte etwa das Caritas-Zentrum St. Vinzenz mit der Verkürzung des Zivildiensts im Juli geplant, künftig nur mehr zwei Zivis im technischen Bereich, keine aber mehr in der Betreuung einzusetzen. Nur sechs Monate seien den Behinderten nicht zuzumuten, hatte der Leiter Markus Pflüger damals betont. Und im Altenheim Heilig-Geist-Spital gibt es sogar schon seit mehreren Jahren keine Zivildienstleistenden mehr.