Ingolstadt
Plötzlich riss der Haken

18.08.2011 | Stand 03.12.2020, 2:30 Uhr

−Foto: Markus Amon / Österr. Bergrettung

Ingolstadt (DK) Die Betroffenheit unter den Bergfreunden ist groß. Die Nachricht, dass ein 36-Jähriger aus Ingolstadt am Mittwochnachmittag beim Klettern in Tirol tödlich verunglückt ist, verbreitete sich gestern schnell bei den Alpenvereinssektionen – besonders bei den Ringseern, wo der Mann Mitglied war.

Der Ingolstädter Alpinist war, wie die Tiroler Sicherheitsdirektion berichtet, mit einem 57-jährigen Kollegen auf dem Klettersteig „Sockeldurchstieg“ am 2190 Meter hohen Totenkirchl im Wilden Kaiser unterwegs gewesen. Sie kamen bei der Tour mit dem Grad 5+, also einer in Fachkreisen als mittelschwer geltenden Route auf der bis zur Stufe 12- reichenden Bewertungsskala, wohl problemlos bis in die Nähe des Gipfels. Der 36-Jährige stieg laut Polizei vorweg, gesichert von seinem Begleiter auf einem Standplatz. Als er rund 35 Meter geklettert war, brach ein offenbar alter, bereits geschlagener Haken in dem Stein aus. Der 36-Jähriger stürzte am Standplatz vorbei über 60 Meter ins Seil, wobei er mehrfach auf dem Fels aufgeschlagen sein dürfte und dann auf einem Felsband liegen blieb. Sein 57-jährige Kletterpartner rief um Hilfe, was im nahen Stripsenjochhaus gehört wurde. Der alarmierte Notarzt im Rettungshubschrauber Heli 3 konnte aber nur mehr den Tod des Abgestürzten feststellen.
 

Der verunglückte Alpinist war seit 2006 Mitglied bei der Alpenvereinssektion Ringsee und regelmäßiger Gast im Kletterzentrum am Baggerweg. Beim DAV war er sogar seit 15 Jahren aktiv engagiert. Entsprechend sehr gute alpine Erfahrung bestätigen Menschen aus seinem Umfeld. Die Ringseer sind fassungslos über den zweiten Bergkameraden, den sie in kurzer Zeit verloren haben, sagt die stellvertretende Sektionsvorsitzende Angelika Schmidt. Erst Ende März war ein Mitglied bei einer Skihöhentour in der Schweiz in einer Lawine gestorben. Die Verwandten gruben den 52-jährigen Köschinger zwar schnell frei, dennoch zu spät für eine Rettung.

Im aktuellen Fall mussten Beamte der Ingolstädter Polizeiinspektion noch am Mittwochabend die Angehörigen des 36-Jährigen im Südwesten der Stadt über das Unglück in Tirol informieren. „Sie wurden auch psychologisch betreut“, sagte gestern der Präsidiumssprecher Günther Beck.

Das Totenkirchl zählt zu den berühmtesten Kletterbergen der nördlichen Kalkalpen. Es gibt unzählige Routen zum Gipfel. Der „Sockeldurchstieg“ an der Nordostwand galt in Bergsteigerkreisen lange Zeit als wenig attraktiv. Die Rede war sogar von „einem jahrzehntelangen Dornröschenschlaf“. Doch eine Sanierung des Stiegs mit soliden Bohrhaken ließ die Beliebtheit der 360 Meter langen Klettertour steigen. Allerdings muss es in Anlehnung an den Polizeibericht einer jener Haken gewesen sein, der das Unglück des Ingolstädters auslöste. Der Berg hat seit der Erstbesteigung 1881 schon zahlreiche Opfer gefordert. Beinahe wäre es auch einem der bekanntesten österreichischen Bergsteiger zum Verhängnis geworden. Markus Kronthaler, im Jahr 2004 Sportler des Jahres in Kufstein, stürzte über 100 Meter ab, als er im Januar 2006 ein Schneebrett ausgelöst hatte. Kronthaler starb im selben Jahr bei einem weiteren Unfall am Broad Peak in Pakistan. Er wurde nur 39 Jahre alt.