Ingolstadt
Vorwürfe gegen Media-Saturn

Gewerkschaft Verdi wird wegen Stellenabbau in der Ingolstädter Konzernzentrale aktiv

06.06.2014 | Stand 02.12.2020, 22:36 Uhr

Hinter der Fassade herrscht Unbehagen: In der Zentrale von Media-Saturn an der Wankelstraße geht der Stellenabbau weiter. Deshalbattackiert die Gewerkschaft Verdi das Unternehmen scharf. - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Media-Saturn setzt den Stellenabbau fort. Die Gewerkschaft Verdi spricht von „deutlich mehr als 200 Arbeitsplätzen“, die gestrichen werden sollen, und erhebt weitere Vorwürfe. Die Verunsicherung sei groß, heißt es. Verdi ist bei Media-Saturn aber kaum vertreten, einen Betriebsrat gibt es nicht.

Weihnachten, immer wieder Weihnachten. Jahrelang kam das frohe Fest fast automatisch zur Sprache, wenn die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi mal wieder versuchte, in der Belegschaft von Media-Saturn Fuß zu fassen. Bisher war aber nichts zu machen. „Die Mitarbeiter haben immer nur gesagt: ,Uns geht’s doch gut. Und außerdem haben wir eine tolle Weihnachtsfeier, um die uns andere beneiden!’ – dagegen hatten wir keine Chance“, erzählt Reinhardt Semmler, Organisationssekretär bei Verdi und stellvertretender Bezirksgeschäftsführer. Doch Weihnachten ist jetzt arg weit weg. Seit Media-Saturn an seinem Ingolstädter Stammsitz Stellen abbaut, klingelt im Gewerkschaftshaus am Paradeplatz oft das Telefon. „Es wenden sich viele besorgte Mitarbeiter von Media-Saturn an uns, die nicht wissen, was sie tun sollen“, berichtet Steffi Kempe, die Verdi-Bezirksgeschäftsführerin in einem Gespräch mit dem DK, zu dem sie geladen hat.

Denn viele Kollegen sind nun mit einem Auflösungsvertrag konfrontiert, den ihnen die Unternehmensführung vorgelegt hat. Freiwillig gehen gegen eine Abfindung – mit diesem Mittel treibe Media-Saturn den Stellenabbau voran. Es gehe hier um mehr als 200 Jobs, sagt Christian De Lapuente, Organisationssekretär beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in Ingolstadt. „Deutlich mehr!“

Daher wollen jetzt viele Betroffene von Verdi wissen, was ihre Unterschrift auf dem Auflösungsvertrag für Konsequenzen hat, und wie viel von der Abfindung wirklich übrigbliebe. Dem Vernehmen nach sind die Gespräche über freiwillige Auflösungsverträge inzwischen offenbar beendet. Es hat, so wird berichtet, zum Teil langjährige Mitarbeiter von Media-Saturn getroffen. Andere verlassen freiwillig das Haus.

„Das ist eine sehr belastende Situation. Die Nervenstarken halten es aus“, erzählt Verdi-Mann Semmler. Den anderen rät er, sich einer Gewerkschaft anzuvertrauen. Doch nun zeige sich in aller Deutlichkeit, dass Verdi bei Media-Saturn bisher keinen Meter Land gewonnen hat. „Gewerkschaft ist ein böses Wort in diesem Haus“, sagt De Lapuente. Einen Betriebsrat gibt es nicht. „Das ist unerwünscht. Wir wissen von Mitarbeitern, die einen gründen wollten, aber dann plötzlich das Unternehmen verlassen haben“, erzählt Steffi Kempe. „Die Kollegen haben große Angst, ihren Job zu verlieren. Deshalb geht da nichts weiter.“

Gäbe es einen Betriebsrat, ergänzt Semmler, könnte der beim Stellenabbau einen klar geregelten Interessenausgleich über einen Sozialplan herstellen. Aber ohne Gewerkschaftsstrukturen falle das aus. Semmler betont: „Uns fehlt der Kanal in dieses Haus. Ich hoffe, dass die Leute dort endlich aufwachen und die Reißleine ziehen! Noch ist es nicht zu spät.“

Doch wieso baut ein renommiertes und nach wie vor sehr erfolgreiches Unternehmen wie Media-Saturn so viele Stellen ab? „Einmal mehr müssen die Mitarbeiter den Kopf für Fehler der Manager und Anteilseigner hinhalten“, klagt Semmler. De Lapuente wagt eine weitere Erklärung: „Es geht hier nicht ums Geld. Es geht um eine Neuausrichtung des Unternehmens. Ein Umbruch ist nie verkehrt. Aber dann müssen die Arbeitnehmer mit am Tisch sitzen!“ Erst recht die Mitarbeiter von Media-Saturn, „die bis zum Anschlag ihre Leistung eingebracht haben“, ergänzt Semmler.

Und nun? „Kämpfen!“, fordert Steffi Kempe. „Denn auch Arbeitnehmer können Druck erzeugen.“ Verdi stehe bereit.

Die Agentur für Arbeit in Ingolstadt darf sich nicht dazu äußern, ob und in welcher Weise sie mit dem Stellenabbau bei Media-Saturn derzeit befasst ist. Astrid Kutz, die stellvertretende Leiterin der Behörde, erläutert allgemein, welche Funktion eine Entlassungsanzeige erfüllt: Ein Unternehmen muss es spätestens vier Wochen vorher der Behörde melden, wenn es Entlassungen plant. Ob eine Firma dazu verpflichtet ist, hängt von der Summe der Mitarbeiter und der Zahl der zu Entlassenden ab. Die Agentur will gewappnet sein, wenn viele Arbeitssuchende aus einem Unternehmen auf sie zukommen. „Wir müssen wissen: Um welche Berufszweige geht es? Wie viele Beschäftigte wollen vermittelt werden“, erklärt Astrid Kutz. „Auf dieser Basis bereiten wir uns vor.“

Die Arbeitsagentur bietet an, dass ihre Mitarbeiter in das Unternehmen kommen, um dort die von Entlassung bedrohten Kollegen zu beraten. „Im Regelfall gehen wir von einem Betriebsrat aus, der vermittelt und Informationen gebündelt weitergibt“, sagt sie. Bei Media-Saturn sei das anders. Großer Beratungsbedarf bestehe außerdem, wenn Mitarbeiter die Firma mit einer Abfindung verlassen. Kutz: „Dann ist es wichtig, die leistungsrechtlichen Aspekte einer Abfindung zu klären und über die Sperrzeit von zwölf Wochen zu informieren.“

Allzu große Sorgen müssten sich die Betroffenen nicht machen, sagt Astrid Kutz. „Die Arbeitsmarktsituation in unserer Region ist wirklich günstig! Ich bin daher sehr optimistisch.“

Hiererfahren Sie, was Media-Saturn zu dem Stellenabbau sagt.