Ingolstadt
Kommunion trotz Scheidung

Der Papst reicht dem wiederverheirateten Horst Seehofer die Hostie und verwirrt damit viele Katholiken

12.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:24 Uhr

Bei Benedikt XVI. ging Horst Seehofer zur Kommunion. Dabei hatte er sich zum Beispiel bei der Gedenkfeier zum 20.Todestag von Franz Josef Strauß demonstrativ zurückgehalten - Foto: Osservatore Romano

Ingolstadt (DK) Der Familienstand von Horst Seehofer wird derzeit unter Katholiken diskutiert – genauer gesagt der kirchenrechtliche Status des Ministerpräsidenten. Als wiederverheirateter Geschiedener hat er beim Papstbesuch in Rom von Benedikt XVI. die Kommunion empfangen. Das sorgt für Irritationen.

Zum 85. Geburtstag des Papstes reiste eine Delegation aus Bayern vor einigen Wochen in den Vatikan. An der Spitze stand das Kabinett mit dem Ministerpräsidenten von der Christlich-Sozialen Union, der zur Privataudienz geladen war. Am 16. April empfing Seehofer bei dem Besuch die Mundkommunion von Benedikt XVI., wie ein Foto der Zeitung „L’Osservatore Romano“ beweist. Das sorgt bei Katholiken für Verwunderung, da Seehofer als wiederverheirateter Geschiedener vom Empfang dieses Sakraments ausgeschlossen sein müsste. So wie es viele Gläubige bereits nach einer Scheidung erfahren haben.

Der Gerolfinger war von 1974 bis 1982 mit seiner Jugendliebe Christel in erster Ehe verheiratet. Da sie evangelisch war, wurde zunächst nur standesamtlich geheiratet. Wie ein „Vertrauter“ Seehofers vor Jahren der Illustrierten „Bunte“ anvertraute, habe sich der Eichstätter Bischof Alois Brems seinerzeit geweigert, das Paar kirchlich zu trauen. Erst 1978 konnte es das nachholen. Nach der Scheidung von Christel heiratete Seehofer im Dezember 1985 standesamtlich seine jetzige Frau Karin, beide haben zusammen drei Kinder.

Ob die erste Ehe kirchenrechtlich annulliert worden ist, ist nicht bekannt. Das zuständige Bistum Eichstätt verweist auf den Datenschutz. „Das ist persönlich. Das kann nur Herr Seehofer selbst sagen“, erklärt Norbert Staudt von der Bistumspressestelle auf DK-Nachfrage.

Der Ministerpräsident wollte dazu gestern auf Anfrage nichts sagen: „Es ist eine persönliche Angelegenheit. Wir werden uns dazu nicht äußern. Herr Seehofer möchte das nicht“, sagt seine Sprecherin Daniela Philippi in der Staatskanzlei.

Hat der Papst dem Ministerpräsidenten also eine Sonderbehandlung zukommen lassen? Hätte er Seehofer aber überhaupt abweisen dürfen? In der bedeutendsten Kirchengemeine Ingolstadts, der Münsterpfarrei, hört Dekan Bernhard Oswald erstmals durch den DK von den Spekulationen um den Ministerpräsidenten. „Das war hier noch kein Thema. Ich möchte dazu auch nichts weiter sagen.“ Generell kann der Münsterpfarrer aber bestätigen: „Ich darf als Pfarrer niemanden von der Kommunion zurückweisen, wenn er vor mir steht. Außer wenn er die Eucharistie offensichtlich verunehren will.“

Die Bistumspressestelle verweist dazu auf den CIC (Codex Iuris Canonici), den Codex des kanonischen Rechtes. In Canon 843 § 1 heißt es: „Die geistlichen Amtsträger dürfen die Sakramente denen nicht verweigern, die gelegen darum bitten, in rechter Weise disponiert und rechtlich an ihrem Empfang nicht gehindert sind.“ Pressesprecher Staudt ergänzt: „Bei zivil wiederverheiratet Geschiedenen kann es dabei durchaus möglich sein, dass sie in kirchlich gültiger Ehe leben.“ Und Canon 915 schreibt vor: „Ferngehalten von der Kommunion darf nur ein Exkommunizierter werden, dessen Beugestrafe verhängt oder festgestellt worden ist. Das gilt weder für zivil wiederverheiratet Geschiedene noch für solche, die vor einer staatlichen Behörde den Kirchenaustritt erklärt haben.“

Der in Ingolstadt bestens bekannte Pater Hubert Leeb, der am Wochenende sein 50. Priesterjubiläum mit einem Festgottesdienst in St. Rupert in Seehofers Heimatort Gerolfing feiert, sagt dem DK sogar: „In meiner pastoralen Tätigkeit habe ich niemals Bitten suchender Menschen, die Jesus in der Heiligen Eucharistie empfangen wollen, abgelehnt, Wiederverheirateten den Segen Gottes auf ihrem Lebensweg verweigert, Menschen in Sünder und Fromme eingeteilt: Das steht nur Gott zu!“ Der 78-Jährige, der viele Jahre als Missionar in Brasilien tätig war, fragt: „Wo hat Jesus Menschen den Weg zu ihm verboten“