Ingolstadt
Gesprühtes Ärgernis

Die Schmierereien, die zuletzt immer mehr Wände in der Innenstadt verunzieren, sind selbst in der Graffiti-Szene umstritten

25.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:46 Uhr

Foto: DK

Ingolstadt (DK) Zuletzt haben sich die Beschwerden wegen hässlicher Schmierereien in der Innenstadt gemehrt. Bei der Polizei gingen etliche Anzeigen ein. Manch ein Fußgänger in der Stadt fragt sich beim Blick auf die Schriftzüge: Was soll das? Auch die Szene ist gespalten.

Es sind Botschaften, die für Außenstehende unverständlich bleiben. "STB", "MOTA", "UFO2" oder "HWI" prangt es dutzendfach an Fassaden, Verteilerkästen und Wänden in der Stadt. Nicht nur, für was die Kürzel stehen sollen, bleibt offen. Warum sich jemand einen Spaß daraus macht, mit den Schmierereien so viel Ärger heraufzubeschwören, stößt ebenfalls auf Unverständnis. Auch bei vielen Graffiti-Künstlern.

Bernhard Schuster ist bei der Polizeiinspektion Ingolstadt seit Jahren mit den illegalen Sprühattacken befasst. "Das verläuft immer in Wellen", ist seine Erfahrung. Derzeit schwappt wieder eine durch die Stadt. Bereits 16 Anzeigen sind seit Februar wegen des Tags - so nennen die Sprayer eine schnelle Signatur - "STB" bei der Polizei eingegangen. Zehn sind es wegen "MOTA". Allein bei den erfassten Fällen geht der Schaden in die Zehntausende, sagt Schuster. "Der Stadt entsteht jedes Jahr ein Millionenschaden durch Vandalismus. Diese Schmierereien machen einen großen Anteil davon aus." Die Täter zu fassen, ist schwierig, manchmal gelingt es aber doch. Heuer sind bereits zwei erwischt worden, berichtet die Polizei. Schuster möchte in diesen Fällen nicht von "Graffiti" sprechen. Er nennt es "Schmierereien", im Gegensatz zu Wandbildern von Leuten, "die was können".

Auch in der Ingolstädter Szene wird das massive Tagging skeptisch gesehen. Miguel Ott und Luis Haugg geben in der Fronte 79 Graffiti-Kurse und haben viel Kontakt zu anderen Sprayern. Wer sich hinter den Tags "STB" oder "MOTA" verbirgt, können sie nicht sagen. "Die kamen eher aus dem Nichts", sagt Ott. Da die Schriftzüge "von nicht so hoher Qualität" seien, dürften hier wohl Anfänger am Werk sein, vermutet Haugg. Die Idee beim Tagging sei, seinen Namen zu verbreiten oder ein Revier zu markieren. Es könnte deswegen sein, dass der Schriftzug "MOTA" eine Reaktion auf das "STB" ist, das schon länger in der Stadt gesprüht wird. Die Kürzel sind wohl als Namen der beteiligten Crews, der Sprayergruppen, zu verstehen. Es dürfte also mehr als einen Urheber geben. Graffiti-Künstler sehen das mit gemischten Gefühlen. "Es sieht nicht schön aus", sagt Ott. "Und es wirft ein schlechtes Licht auf die Szene", findet Haugg.

Das sieht auch Robin Gower so, dessen Bilder, wie die von Ott und Haugg, unter anderem an der Unsernherrner Unterführung zu bestaunen sind, die von der Stadt bekanntlich für Graffiti freigegeben ist. Um seinen Namen zu verbreiten, sei Ingolstadt für einen Tagger nun mal ein gutes Pflaster, sagt Gower. Die illegale Szene sei relativ klein in der Stadt und die Wände werden meist sehr sauber gehalten. Da fallen die Schmierereien schnell auf. An öffentlichen Flächen werden Tags schnell entfernt. Zuletzt etwa an den Rad-Unterführungen an der Kreuzung Münchener Straße/Südliche Ringstraße (siehe Bilder).

Auch Gower ärgern die Tags. "Das Verhältnis der Ingolstädter zu Graffiti ist eigentlich sehr gut", sagt er. Die Kunstform sei anerkannt, Veranstaltungen wie die Grand Schmierage oder eben die Unterführung in Unsernherrn hätten dazu viel beigetragen. Wer dort arbeitet, erntet von Vorübergehenden meist anerkennende Worte. Kritik ist ganz selten, so Gowers Erfahrung. Er erinnert auch an die Stadtwerke, die im vergangenen Jahr Verteilerkästen für Graffiti-Künstler freigegeben haben. Da könnten die illegalen Schmierereien einiges am guten Verhältnis zerstören. Deswegen gebe es kaum illegale Graffiti in der Stadt. "Auch wenn es dafür einige schöne Stellen gäbe", wie er sagt. Auch Gower kann nicht sagen, wer sich hinter den aktuellen Schmierereien verbirgt. "Wahrscheinlich sind es einfach ein paar Kids, die Graffiti cool finden", vermutet er.

Wenn dem so ist, ist allerdings auch jedem Laien klar, dass die nächtlichen Sprayer von guter Sprühtechnik noch weit entfernt sind. Wer Interesse hat, Graffiti-Kunst jenseits von illegalem Vandalismus zu lernen, ist jeden Mittwoch ab 18 Uhr bei den Kursen des Stadtjugendrings in der Fronte 79 willkommen.