Ingolstadt
Im Körnermagazin gehen bald die Lichter aus

24.05.2010 | Stand 03.12.2020, 3:59 Uhr

Farbenprächtiges Spektakel: Am Freitagabend war in dem Industriegebäude noch einmal Feiern angesagt, bevor der Abrissbagger kommt. - Fotos: Stadik

Ingolstadt (DK) Mit einer großen Privatparty hat die Künstlerkolonie im Körnermagazin am Freitagabend ihren Abschied gegeben. Da die Chancen für einen Erhalt des historischen Industriegebäudes an der Esplanade denkbar schlecht stehen, wird nun ein Ausweichquartier gesucht.

Zum Repertoire der Ingolstädter Rockband Slut gehört die Moritat von Mackie Messer, die durchaus noch zur aktuellen Zeitkritik taugt: " . . . und sein Geld hat Jürgen Kellerhals", wandelte Christian Neuburger die berühmte Strophe aus der Dreigroschenoper von Bertolt Brecht ab.

Verträge gekündigt

Das Publikum in den Übungsräumen der Musiker, das sich am Freitagabend zahlreich im Körnermagazin an der Esplanade eingefunden hatte, bejubelte diesen spontanen Einfall des Slut-Sängers. Doch mehr als Humor bleibt den jungen Künstlern nicht: Die Jürgen-Kellerhals-Vermögensverwaltung (JKV) hat die meisten Verträge ihrer Mieter in der Künstlerkolonie mit Blick auf den mangelhaften Brandschutz zum 31. Mai gekündigt.

Vor dem Auszug wollten die Betroffenen jedoch ein letztes Mal beweisen, welchen Beitrag sie zum kreativen Leben in der Schanz leisten: Neben Slut öffnete auch die Band Gorilla Rodeo bei kostenlosem Eintritt ihren Proberaum. Im Rahmen der Privatparty beleuchtete Markus Jordan das Gebäude, eine der ersten Audi-Produktionsstätten in Ingolstadt, von außen. Daniel Lange malte live, Discjockeys legten Musik auf. Die Künstlerin ChaBé (Beatrix Müller) hatte die befreundeten Musiker von "Underground Affair" in ihr Atelier zu einem Privatauftritt eingeladen. "Wir fühlen uns alle hilflos", bedauerte ChaBé den wahrscheinlichen Verlust des Biotops, in dem sich auch schon Schulklassen über zeitgenössische Kunst informiert haben.

Faktor Kultur

Unter die Abschiedsgäste mischten sich am Freitagabend die Stadträtinnen Gudrun Rihl (SPD) und Petra Kleine (Grüne) sowie Kulturreferent Gabriel Engert. Stadtplaner Siegfried Dengler plädierte vehement für den Erhalt der Künstlerkolonie in der Stadt: "Kultur hat sich zu einem Standort- und Wirtschaftsfaktor entwickelt", betonte Dengler mit Verweis auf die "Renaissance der Städte".

OB Lehmann bedauert

Seiner Meinung nach sind Kunst und Kultur "bedeutende" Faktoren der Stadtentwicklung. Auch Oberbürgermeister Alfred Lehmann meldete sich am Wochenende in einem Schreiben an Betroffene zu Wort. Mit Blick auf die rein privatrechtlichen Vertragsbeziehungen im Körnermagazin drückte der Rathauschef allerdings nur sein Bedauern und seine Solidarität aus. Wie berichtet, hatte sich auch eine Initiative zum Schutz von Industriedenkmälern gebildet, die Kultursprecher im Stadtrat setzen sich für den Erhalt ein.

Suche nach Quartier

Die Mieterinnen und Mieter hoffen nun darauf, dass sich in der Stadt ein Ersatz für die Räumlichkeiten finden lässt. Große Hoffnungen werden zum Beispiel auf die Weiterentwicklung am Hauptbahnhof gesetzt, wo die Kleinkunstbühne Ohrakel in DB-Gebäude umziehen soll. Da sich dieses Projekt jedoch nur schleppend hinzieht, ist eine schnelle Lösung im Umfeld des Bahnhofs sehr unwahrscheinlich. Die verfahrene Situation war auch den meisten Gästen bei der Privatveranstaltung am Freitagabend klar. "Es ist so schade, dass sich Audi nicht engagieren will", meinte ein 41-Jähriger aus Manching gegen 3 Uhr nachts am Lagerfeuer im Hof vor dem Körnermagazin.

Doch die Autobauer haben sich bereits vor Wochen nochmals mit ihrer Wiege beschäftigt und keine Chance gesehen, den Betonständerbau vor dem angekündigten Teilabriss zu retten. In wenigen Tagen werden also im Körnermagazin die Lichter ausgehen.