Ingolstadt
Feiern ohne Flüchtlinge

Ingolstädter Kneipen und Diskotheken verweigern Asylbewerbern nach Beschwerden den Einlass

30.04.2015 | Stand 02.12.2020, 21:21 Uhr
Frauen auf der Tanzfläche: Hier kommt es oft zu gewollten oder ungewollten Berührungen. In der Diskothek Amadeus kam es deswegen in letzter Zeit immer öfter zu Beschwerden über Annäherungsversuche von Asylbewerbern. −Foto: Michael Blann

Ingolstadt (DK) Viele der Asylbewerber in Ingolstadt sind jung – und feiern dementsprechend gerne. In einigen Bars sind sie als Gäste inzwischen nicht mehr gern gesehen. Eine Ausnahme war stets die Diskothek Amadeus. Damit ist jetzt Schluss: Seit zwei Wochen gilt in dem Club ein Einlassverbot für Flüchtlinge.

„Ich würde am liebsten alle reinlassen: Grüne, Gelbe, Weiße, Schwarze“, sagt Geschäftsführer Martin Tomiak. Aber nach einem halben Jahr habe er festgestellt, dass es mit den Flüchtlingen „nicht funktioniert“. Ihm zufolge bleiben immer mehr weibliche Stammgäste weg, weil sie sich von Asylbewerbern belästigt fühlen. In einem Fall kam es – wie in der Donnerstagsausgabe berichtet – sogar zu einem sexuell motivierten Übergriff auf Discobesucherinnen in der Toilette, der aktuell das Ingolstädter Amtsgericht beschäftigt. Von aufdringlichen Annäherungsversuchen und (un-)gewollten Berührungen berichtet nicht nur der Betreiber des Amadeus, sondern auch Ingolstädter Diskothekenbesucherinnen. Sie erzählen auf DK-Anfrage von Anzüglichkeiten bis hin zu Verfolgungen bis vor die Haustür.

Der Polizei zufolge gab es im letzten halben Jahr keine Häufung von Einsätzen in Discos im Zusammenhang mit Asylbewerbern. Dennoch hatte der stellvertretende Inspektionsleiter Thomas Rieger im Interview mit dem DK am Mittwoch von „einigen schwerwiegenden Sexualdelikten“ gesprochen. „Aber das ist im Hinblick auf die Personenzahl, die bei uns ist, wirklich überschaubar“, betonte er.

Wie Amadeus-Wirt Tomiak berichtet, würden sich viele weibliche Gäste wohl nicht an seine Sicherheitsleute an der Tür wenden, um nicht als ausländerfeindlich zu gelten. Er hätte, so sagt der Amadeus-Chef, das Verbot gerne vermieden, habe aber keine Idee, wie er „das Problem“ anders in den Griff bekommen könnte. „Das hat eine Dimension, die ich alleine nicht lösen kann.“

Mit seinen Beschwerden ist er nicht alleine unter den Ingolstädter Gastronomen. „Am Anfang habe ich sie reingelassen, das war kein Problem“, berichtet Sandro Montuori, Besitzer der Corso-Bar in der Theresienstraße. Später hätten aber Frauen von Belästigungen berichtet, die Stammgäste beschwerten sich. Inzwischen steht am Eingang ein Türsteher, der die Flüchtlinge nicht mehr hineinlässt. Nach Hautfarbe sortiere er aber nicht: „Wir haben viele schwarze Gäste.“ Die Flüchtlinge seien an ihren mangelnden Sprachkenntnissen und ihrer Kleidung aus zweiter Hand zu erkennen. „Ich habe mir Sorgen ums Geschäft gemacht“, sagt Montuori.

Wütend wird bei dem Thema sogar Peter Masur, Inhaber der Havana-Bar in der Kupferstraße. „Es gibt keinen Laden in Ingolstadt, der so international aufgestellt ist“, erklärt Masur, der selbst eine dunkle Hautfarbe hat. „Bei mir ist jeder willkommen, aber Frauen sollen kein Freiwild sein.“ Auch er hat einen Türsteher nur wegen der Flüchtlinge angeheuert. Es sei dringend notwendig, sie zu integrieren und ihnen dabei auch Respekt gegenüber Frauen zu vermitteln, so Masur. Gleichzeitig erlebt der in Deutschland geborene 66-Jährige nach Jahren ohne Probleme in der letzten Zeit am eigenen Leib zunehmenden Rassismus. Zum Teil komme er in Clubs in anderen Städten aufgrund seiner Hautfarbe nicht mehr hinein.

Für Amadeus-Chef Tomiak ist vor allem problematisch, dass in das Erstaufnahmelager ständig neue Flüchtlinge kommen. „Das Problem ist, den Überblick zu behalten“, sagt er. Während die Türsteher rüde Gäste bisher einzeln ausschließen konnten, funktioniere dieses Konzept bei den Asylbewerbern nicht.

Gerd Treffer, Sprecher der Stadt Ingolstadt, betont, dass das Thema auch eine gaststättenrechtliche Dimension habe. Gäste aufgrund ihrer Hautfarbe abzuweisen, sei rechtswidrig. Er kündigt an: „Wir würden gegen solche Wirte vorgehen.“

Joseph Prah, Vorsitzender des Ingolstädter Afrikavereins, und Gerda Büttner, mit Prah Initiatorin des Ingolstädter Afrikafests, können Tomiaks Entscheidung sogar nachvollziehen. In afrikanischen Ländern sei es schließlich auch nicht üblich, Frauen so zu behandeln. „Es hat keiner von uns eine Lösung“, sagt Büttner. Prah zufolge müsste es Kurse geben, in denen Neuankömmlingen ein angemessenes Verhalten gegenüber Frauen vermittelt wird. Er würde dafür gerne die Ingolstädter Kulturvereine ins Boot holen. Büttner hat sich deswegen für den nächsten Mittwoch mit dem städtischen Sozialamt verabredet, das sich um die Flüchtlinge kümmert. Was bei der Besprechung herumkommen könnte, will Stadtsprecher Treffer erst nach dem Treffen kommentieren. Für Büttner ist klar: „Da sind wir als Gesellschaft gefordert, den Flüchtlingen eine Perspektive zu bieten.“

Fakt ist, dass viele Einwanderer aus afrikanischen Ländern nur eine geringe Chance haben, in Deutschland ein Aufenthaltsrecht zu erlangen – und das nach einer oft jahrelangen, gefährlichen und teuren Flucht. Für Nigerianer betrug die Wahrscheinlichkeit, wieder abgeschoben zu werden, in den vergangenen Jahren über 90 Prozent. Heiraten die Flüchtlinge allerdings eine deutsche Frau oder zeugen mit ihr ein Kind, dürfen sie laut Aufenthaltsgesetz bleiben. Manchem Asylbewerber scheint das mangels Alternative ein attraktiver Weg zu sein, um sich vor der Abschiebung zu retten.

In den vergangenen Monaten waren am Wochenende oft bis zu 20 Flüchtlinge im Amadeus. So auch vor einigen Wochen, vor dem Einlassverbot, als sie von einer Journalistin für eine Reportage begleitet wurden. Zwei 27-jährige Nigerianer, der eine mit Schulabschluss, der andere studierter Mikrobiologe, erzählten ihr im Gespräch, dass es schön wäre, eine Frau kennenzulernen, dass bisher aber alle Annäherungsversuche gescheitert seien. Auf Englisch gaben die beiden Discobesucherinnen zu verstehen, dass sie „beautiful“ („wunderschön“) seien. Die Frauen antworteten freundlich, wollten aber nicht eingeladen werden und nicht tanzen. Die beiden Nigerianer gaben nicht auf und fragten immer wieder nach – erfolglos. Einer von ihnen fragte letztlich frustriert: „Wie macht man das denn mit den deutschen Mädels“