Ingolstadt
"Wir stecken in der schlimmsten Krise"

Die Stimmung bei Media-Saturn ist im Keller – Nun kommt bei der Belegschaft die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes dazu

07.05.2014 | Stand 02.12.2020, 22:43 Uhr
Die Media-Saturn-Zentrale in Ingolstadt. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Es ist der modernste und größte Konferenzraum in der Media-Saturn-Zentrale, doch am Dienstag vergangener Woche war der Andrang zu groß. Für 380 Mitarbeiter bietet der Raum in dem neuen, 30 Millionen Euro teuren Gebäude im Südosten der Stadt Platz. Bei dem kurzfristig angesetzten Termin drängten die Angestellten aber so sehr in den Raum, dass die Luft nach wenigen Minuten zum Schneiden war. „So groß war das Interesse an einer Versammlung noch nie“, heißt es aus Teilnehmerkreisen.

Die Lager waren klar verteilt. Dort die geschätzt 500 Mitarbeiter in der Verwaltung des Elektronikriesen, auf der anderen Seite des Saals saß das Top-Management mit Horst Norberg, Ralph Spangenberg und Wolfgang Kirsch an der Spitze. Die Botschaft, die die Führungskräfte für die Belegschaft parat hatten, war eindeutig: Das Unternehmen wird umstrukturiert, auch auf Kosten von Arbeitsplätzen. „Das war ein Schlag ins Gesicht und kam ohne Vorwarnung“, sagt ein langjähriger Angestellter unserer Zeitung. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. „Man weiß ja nie, wie das einem ausgelegt wird“, berichtet er. 90 Minuten lang sei über den neuen Kurs teils heftig diskutiert worden.

Es war die Rede von 50 Millionen Euro, die eingespart werden müssten. „Das Management wurde immer wieder gefragt, was es denn für einen Beitrag dazu leisten werde“, berichtet der Augenzeuge. Eine Antwort habe die Belegschaft darauf nicht bekommen. Wo früher der Media-Markt-Mitgründer und ehemalige Geschäftsführer Leopold Stiefel die Leute mit seinem Herzblut für die Firma begeisterte und zu 110-prozentigem Engagement trieb, herrscht nun Niedergeschlagenheit und Frustration.

Die Verunsicherung in den Büros und auf den Fluren wächst von Tag zu Tag. Als dann am Dienstag Media-Saturn-Chef Horst Norberg das Handtuch schmiss und seinen Vertrag vorzeitig beendete, war die Stimmung in dem einst so stolzen Elektronikimperium auf dem Tiefpunkt. „Wir stecken in der schlimmsten Krise, seit es die Firma gibt“, sagt ein Abteilungsleiter. Seit dieser Woche macht eine neue Zahl die Runde. Angeblich sind nun mindestens 280 Stellen im Feuer, alle in der Zentrale in Ingolstadt und nicht, wie zunächst erklärt, auf die insgesamt rund 65 000 Stellen des Unternehmens verteilt. Media-Saturn gab zu den neuen Entwicklungen keinen Kommentar ab. „Es bleibt, wie vergangene Woche kommuniziert, bei 200 Stellen im gesamten Betrieb“, hieß es dazu gestern aus der Konzernzentrale. Von einem sozialverträglichen Abbau könne ebenfalls nicht mehr die Rede sein, berichten gut informierte Kreise. Dem Vernehmen nach sind die Abteilungsleiter angehalten, ihre Teams für die Zukunft zusammenzustellen. Offenbar soll es schon erste Kündigungen gegeben haben. „Offiziell erfahren wir nichts. Das belastet viele Kollegen zunehmend“, sagt ein Mitarbeiter. In erster Linie könnte es die IT-Abteilung und den Bereich E-Commerce treffen. Bestätigungen seitens des Unternehmens gibt es dafür nicht. Unterdessen setzt sich im Eigentümer-Zwist Minderheitsgesellschafter Erich Kellerhals für eine rasche Nachfolgeregelung im Fall Norberg ein. Kellerhals habe Mehrheitseigner Metro aufgefordert, zügig in einen Dialog in der Cheffrage einzutreten, sagte ein Sprecher der Kellerhals-Gesellschaft Convergenta gestern. Kellerhals habe zudem einen Vorschlag für einen Interims-Vorsitzenden bei Europas größter Elektronikhandelskette gemacht. Es handele sich um ein Mitglied der Media-Saturn-Geschäftsführung. Bei Metro nahm man diesen Vorschlag zur Kenntnis: „Die Metro begrüßt die Dialogbereitschaft, auch wenn sie spät kommt. Abgesehen davon hat der von der Convergenta ins Gespräch gebrachte, angebliche Kandidat nach unseren Erkenntnissen eine Nominierung für den Geschäftsführungsvorsitz abgelehnt. Insofern sind wir über die öffentliche Ankündigung der Convergenta überrascht“, hieß es gestern.

Über die Situation der Angestellten fand sich gestern in den Mitteilungen indes kein Wort.