Ingolstadt
Live vor Bayerns berühmtestem Transparent

10.02.2010 | Stand 03.12.2020, 4:16 Uhr

Großer Aufwand: Das zwölfköpfige Aufnahmeteam des Bayerischen Rundfunks rückte gestern mit fünf Fahrzeugen in Ingolstadt an.

Ingolstadt (DK) Das Bayerische Fernsehen berichtete gestern über den umstrittenen Internetdienst Google Street View – live aus dem Probierlweg; hier prangt an einem Zaun ein Protesttransparent. Davor tauschten DK-Herausgeber Georg Schäff und Bayerns oberster Datenschützer ihre konträren Positionen aus.

Sri Lanka ist weit. Und etwas wärmer. Hier verbringen dieser Tage Alois Haid und Elfi Bavelos ihren Urlaub. Im Herbst haben sie daheim im Probierlweg ein großes Transparent an den Zaun gehängt, um gegen Google Street View zu protestieren. Jetzt verpassen sie, wie die improvisierte Widerstandsbekundung an diesem eiskalten Mittwochabend in den Fokus landesweiten Interesses rückt; aber vermutlich können sie sich unter der Sonne Sri Lankas eh nur schwer vorstellen, was da gerade vor ihrer Haustür passiert.


 
Das Bayerische Fernsehen ist mit einem zwölfköpfigen Team in fünf Fahrzeugen angereist. An der Ecke Probierlweg/Riehlstraße werden Scheinwerfer in die Höhe geschraubt. Das Pult, an dem die "Abendschau"-Moderatorin Anja Marks-Schilffahrt gleich ihre Gäste befragen wird, ist abgedeckt, denn der Schnee fällt kräftig. Sechs Grad minus, meldet ein Reporter mit Thermometer. Nicht eben anheimelnde Bedingungen für Arbeit im Freien, aber das Aufnahmeteam aus München – täglich in Bayern auf Tour – ist immer und überall sendebereit. "Live-Übertragungen erfordern natürlich jedes Mal einen Riesenaufwand", erzählt Anja Marks- Schilffahrt, "aber wir nehmen Ereignisse wie den Ingolstädter Widerstand gegen Google gern zum Anlass, live zu senden."
 
"Nano" auf 3sat: Ein Beispiel für den Einsatz von Street View"%>
 
Noch drei Minuten. Günther Dorn, Leiter des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht, ist eigens aus Ansbach gekommen. "Ich vertrete sozusagen die Gegenseite", erzählt er im Schneegestöber. Er hegt kaum Bedenken gegen die Praxis von Google, Häuser zu fotografieren und die Bilder im Internet zu veröffentlichen. "Unabhängig davon finde ich es aber sehr beeindruckend, dass sich eine Zeitung grundsätzlicher Fragen des Datenschutzes annimmt und eine Debatte anstößt." Dorn meint damit den DONAUKURIER, dessen Herausgeber Georg Schäff Gutachten zu Street View in Auftrag gegeben hat. Die weisen Google mehrere Rechtsverletzungen nach. Schäff will das nicht hinnehmen, was er Dorn gleich sagen wird. Vor der Kamera.
 
Die erste Live-Schaltung beginnt um 17.33 Uhr. Die Moderatorin nimmt die Kapuze ab, zupft Kragen und Frisur zurecht – dann meldet sich Ingolstadt in der BR-Sendung "Schwaben und Altbayern". Genau in dem Moment passieren vier Autos die Kreuzung im Fokus der Kameras. Anja Marks-Schilffahrt moderiert unbeeindruckt weiter, als wenige Schritte entfernt vier angetrunkene Knaben in kurzen Hosen zu grölen beginnen. Auch die Interviewpartner lassen sich nicht irritieren.
  
Georg Schäff nennt die Argumente für seinen Widerstand gegen Street View. "Wir treten für den Schutz der Privatsphäre ein!" Denn Google verletze das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie elementare Datenschutzgesetze. "Warum greifen Sie da nicht ein", will die Moderatorin von Dorn wissen. – Weil die Datenschützer zu der Auffassung gelangt seien, "dass Street View zumutbar ist, so lange Google alle Auflagen beachtet".


 
Silvio Bavelos, Sohn des kritischen Hauses, vertritt die urlaubenden Eltern wortgewandt, erklärt, warum die Familie ihr Anwesen nicht im Internet wiederfinden will. Noch zwei Einspieler, dann ist die erste Übertragung nach sechs Minuten dreißig vorbei. Die Gesprächspartner eilen ins Haus.
 
Im Hintergrund hat sich inzwischen Christian Kienast aufgewärmt. Der Wettermann des Bayerischen Fernsehens setzt seinen Bericht über ein Tief namens Queen "aus der Heimat Horst Seehofers" ab. Aber der könne auch nichts gegen die Kälte machen, ergänzt Kienast, und seine Kollegen lächeln dabei im Schneetreiben.

Um 18.08 Uhr geht der Probierlweg zum dritten Mal auf Sendung. Dorn wiederholt seine Auffassung, und Schäff bietet ihm erneut die Stirn. Jonas Haid, der andere Sohn des Hauses, erläutert wie zuvor Silvio, warum der Anti-Google-Slogan dort prange. Aus Überzeugung.

Die Zuschauer erfahren jetzt, dass sogar schon das Haus der Geschichte in Bonn Interesse an dem Transparent bekundet habe. Renate Höhne weiß Näheres. Sie ist eine alte Freundin der Hausbesitzer Alois Haid und Elfi Bavelos. "Das Museum bekommt das Plakat tatsächlich – im Herbst!" Nach der Sendung verrät sie noch mehr: "Auf der Rückseite steht ,Herzlich Willkommen!’ Elfi und Alois haben mir das Transparent zur Feier meines Umzugs an die Tür gehängt." Im vergangenen Herbst nahmen sie es ihr wieder weg, da sie es benötigten, um Google anzuprangern. Doch Renate Höhne fühlt sich trotzdem geehrt. "In gewisser Weise komme ich jetzt auch ins Museum."