Ingolstadt
Erleuchtung für den OB

13.02.2011 | Stand 03.12.2020, 3:09 Uhr

Hey, das geht ab! Initiator Daniel Melegi hatte zu der Drei-Minuten-Aktion auf den Rathausplatz gerufen und beschallte die vornehmlich jungen Teilnehmer mit passenden Liedern. Dass die Sperrzeit verkürzt werden soll, der Eiskeller keine laute Musik mehr spielen darf und das Bürgerfest aus der Altstadt verbannt wird, wollen sie nicht hinnehmen. - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Eigentlich wollten sie nur gesehen werden, doch dann wurden sie auch gehört. Am Samstagabend um 22 Uhr versammelten sich mehr oder weniger spontan rund 350 Ingolstädter vor dem Rathaus. Ihre Botschaft kam per Taschenlampen und Musik an: Sie wollen nicht, dass das Nachtleben zerstört wird.

Da soll noch einmal einer sagen, die Jugend steht nicht für ihre Anliegen ein. Sie kann sich sogar in aller Spontanität zu einer Aktion verabreden. So wie am Samstagabend bei dem "Smartmob", einem genehmigten Menschenauflauf mit politischen Hintergrund, der weithin sichtbar war – und auch zu hören. Dabei ist ja genau dies das Thema, das die Innenstadt vor eine Zerreißprobe stellt. Die Disco Eiskeller soll auf Geheiß der Verwaltung ohne laute Musik auskommen, Politiker und Polizei wollen die Sperrzeit verlängern, das Bürgerfest soll aus der Altstadt raus. Die Ingolstädter Jugend sieht ihr Nachtleben gefährdet und ist bereit, dagegen öffentlichkeitswirksam anzukämpfen. Der erste Schritt glich am Wochenende einem Schattenboxen. Um Punkt 22 Uhr knipsten die 350 Ingolstädter ihre Taschenlampen an und ließen die Lichtkegel über das Alte Rathaus huschen. Unmittelbaren Gegner gab es keinen, denn um diese Uhrzeit ist das OB-Büro freilich nicht mehr besetzt.
 

Das Ziel aber überdauert den Abend: "Dass denen da drin mal ein Licht aufgeht", wie es ein Teilnehmer formulierte. Das ist keine Einzelmeinung. Als die vornehmlich jungen Leute – aber auch Politiker (fast aller Parteien) und Wirte – auf den Rathausplatz strömten, war gerade das 5000. Mitglied der Gruppe "Rettet Ingolstadts Nachtleben" im sozialen Netzwerk Facebook beigetreten. Dort hatte Initiator Daniel Melegi zu dem "Smartmob" aufgerufen. Seine eigenen Überlegungen dazu bekamen alle zu hören. Obwohl nicht geplant, legte der Organisator passende Musik auf. Sein Medley hatte es in sich: Schon der Einstieg war zielsicher gewählt. "Veronika, der Lenz ist!", schickte Melegi mit einem schönen Gruß ans Kulturamt (aus dem Bürgerfest macht es einen Sommerlenz) durch die Boxen. Weitere Zustimmung bekam er, als er die Botschaft "You gotta fight for your right to party" (Du musst für dein Recht auf Party kämpfen) von den Beastie Boys losschickte. Oder die Atzen losließ: "Hey, das geht ab, wir feiern die ganze Nacht!"

Hätte Melegi weiter solche Kracher aufgelegt, die den Ingolstädtern ihre Wochenenden in den Diskotheken versüßen, sie hätten tatsächlich die ganze Nacht gefeiert. Die Aktion durfte aber nur drei Minuten gehen. Doch diese Zeit war zugesichert. Davon überzeugte sich ein Polizeivertreter, der sich des höhnischen Beifalls der Menge sicher sein konnte, als er vor das Rathausportal zum DJ trat. Mit sichtlichem Vergnügen präsentierte ihm Melegi das Genehmigungsschreiben der Stadt. Von Musik stand da nichts drin. Doch die Polizei drückte ein Auge zu. Der Einsatzleiter sagte dem DK: "Ist ja alles sehr friedlich abgelaufen."

Die Resonanz war für Organisator Melegi überzeugend. Als sich alle zerstreut hatten und in den Lokalen weiter diskutierten, gab es erste Reaktionen: "Ein gelungenes Leuchtturmprojekt gegenüber unserer Stadtregierung", äußerte sich Roland. "Der erste Schritt wäre getan, jetzt gehts ans Eingemachte: Schlagfertige Argumente sammeln, um auf die Stadt Druck auszuüben", meinte Stefan.

Vorerst ohne konzertierte Aktionen. "Von meiner Seite erst mal nicht", sagte Melegi. Er kennt den Erfolg versprechenden Weg: Trotz der Macht des Web 2.0 mit Facebook muss die Diskussion mit der Stadtverwaltung und den Wirten auf Augenhöhe geführt werden. Melegi schloss zufrieden: "Wir Gäste sind auf alle Fälle gesehen und gehört worden."