Ingolstadt
Ein Lohnzettel voller Nullen

Durch den Verkauf der Petroplus-Raffinerie verlieren Arbeiter in Altersteilzeit ihre Bezüge

04.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:25 Uhr

Bald geht es wieder los: 400 Arbeitsplätze sind durch den Verkauf der Petroplus-Raffinerie an die Gunvor Group gerettet worden. Arch - foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Die Freude war groß, als vergangenen Donnerstag die Nachricht vom Verkauf der Petroplus-Raffinerie die Runde machte. Die Arbeitsplätze seien gerettet, hieß es. Unklar bleibt die Situation von Mitarbeitern, die zum Zeitpunkt der Insolvenz in Altersteilzeit waren. Ihnen droht die Arbeitslosigkeit.

Für seine Kollegen hat Hans Tattermusch sich am Donnerstag sehr gefreut. „Viele von denen kenne ich ja auch privat“, sagt er. Für ihn persönlich ist der Verkauf der Petroplus-Raffinerie allerdings eine zweischneidige Geschichte. Als das Unternehmen Anfang April in die Insolvenz ging, war er seit einigen Monaten in der so genannten passiven Phase der Altersteilzeit. Das heißt, er bezog weiter Gehalt, musste aber nicht mehr arbeiten. Am 3. April erhielt er einen Anruf von der Insolvenzverwaltung, in dem er zu einem Treffen gebeten wurde. „Ich dachte, es gibt gute Nachrichten, aber dann kam der Hammer.“

Tattermusch wurde eröffnet, dass er mit der Insolvenz der Petroplus seine Bezüge verloren habe und er sich bei der Agentur für Arbeit zu melden hätte. „Auf dem letzten Lohnzettel, den ich bekommen habe, waren nur Nullen“, sagt er. In der jetzigen Situation fehlen ihm „jeden Monat 800 Euro.“ 38,5 Jahre hat er in der Raffinerie gearbeitet. Viele Kollegen, die jetzt den Betrieb unter dem Dach der Gunvor Group wieder aufnehmen sollen, wurden von ihm ausgebildet. Jetzt müssen sich der 61-Jährige und seine Kollegen, die in der gleichen Situation sind, auf Arbeitssuche begeben. „Einer hat bereits ein Vorstellungsgespräch in Kelheim gehabt“, sagt Tattermusch.

Betriebsrat Dietmar Hengl weiß um die Situation der ehemaligen Petroplus-Mitarbeiter. „Es gibt hier leider eine Gesetzeslücke“, sagt er. Tatsächlich sei der neue Besitzer der Raffinerie nicht verpflichtet, die Altersteilzeit-Vereinbarungen der Petroplus zu übernehmen. Während der Verkauf der Raffinerie die Arbeitsplätze von 400 Kollegen rettet, macht er die Mitarbeiter in Altersteilzeit zu den einzigen Verlierern der Übernahme.

Das bestätigt auch Sebastian Brunner, der Sprecher des Insolvenzverwalters Michael Jaffé. Man müsse sich an die „geltende Rechtslage“ halten, erklärt er. „Für die Betroffenen ist das natürlich bedauerlich“, sagt er. „Sie fallen hier durch eine Regelungslücke.“ Er schätzt, dass im Fall der Petroplus „weniger als zehn“ Arbeiter betroffen sind. Mit dem Insolvenzverfahren werden die Arbeiter zu Gläubigern der insolventen Petroplus. Ihre Verluste könnten sie deswegen im Zuge des Insolvenzverfahrens geltend machen, so Brunner. Allerdings könnten sie dabei nicht bevorzugt behandelt werden. „Da hat der Insolvenzverwalter keinen Spielraum.“

Bei Insolvenzen größerer Betriebe treten solche Fälle immer wieder auf. „Bei Schlecker werden es derzeit wahrscheinlich Hunderte sein“, schätzt Brunner. Tatsächlich hätten sich Gewerkschaften und Politik bisher noch nicht intensiv mit dieser Frage beschäftigt. Dem neuen Eigentümer der Raffinerie steht es natürlich frei, die Ansprüche der Ex-Kollegen zu übernehmen. „Aber warum sollte er das tun“, fragt Brunner. Schließlich hätten die Kollegen nie für die Gunvor Group gearbeitet.

Hätte er die Möglichkeit, würde Tattermusch gerne wieder in der Raffinerie arbeiten. Zumindest bis zum 1. November 2013. An dem Tag würde seine Altersteilzeit enden. Schließlich geht es auch um Rentenansprüche, die er durch die Arbeitslosigkeit verliert. „Da fehlen mir dann 50 bis 60 Euro jeden Monat bis zum Lebensende“, rechnet er vor. Deswegen wird er sich jetzt bei der Gunvor Group bewerben. Auf den Job, den er 38,5 Jahre lang gemacht hat.