Ingolstadt
Und am Schluss kriegen sie sich

01.02.2011 | Stand 03.12.2020, 3:12 Uhr

Ritter Zahnstein und sein Schwert sind besonders interessant. Die Kinder von St. Vinzenz stürmten gestern die große Bühne des Stadttheaters. - Foto: Herbert

Ingolstadt (DK) Einmal im Jahr lädt das Stadttheater die Kinder des Caritas-Zentrums St. Vinzenz ein. Gestern erlebten über 250 Jugendliche mit ihren Betreuern im Großen Haus eine tolle Vorführung.

Gebannt blicken die Kinder auf die Bühne. Hoch konzentriert beobachten sie, wie die böse Hexe durch die Luft schwebt. Ihr fieses Gelächter lässt einige erschrocken Luft schnappen. In den Reihen des Stadttheaters sitzen auch Kinder des Caritas-Zentrums St. Vinzenz. Die Einrichtung fördert und hilft Menschen mit Behinderung. "Das war schon richtig toll, als die Hexe geflogen ist", schwärmt Matthias. Der Zwölfjährige strahlt über das ganze Gesicht. "Eigentlich würde ich auch gern fliegen können", fügt er lächelnd an.

Das Stück "Ritterland" zieht die Kinder und Jugendlichen von St. Vinzenz in seinen Bann. Begeistert fiebern sie mit, als Ritter Zahnstein von seinem Abenteuer erzählt: Die böse Hexe verzauberte ihn so, dass er schlimme Zahnschmerzen aushalten muss. Aus Angst vor den mittelalterlichen Behandlungsmethoden flüchtete der Ritter in die Neuzeit, zu einem modernen Zahnarzt.

Das kann Markus allerdings gar nicht verstehen. Der 13-Jährige trägt eine Zahnspange und erinnert sich mit Schrecken an den Tag, als er sie bekommen hat: "Ich habe seitdem ein bisschen Angst vor dem Zahnarzt." Als Ritter Zahnstein und sein Knappe Knut ein Lied über ihr Leben im Mittelalter singen, klatscht Markus trotzdem am lautesten. "Die Lieder haben mir richtig gut gefallen."

Die ein Jahr jüngere Tamara kann ihm nur zustimmen. "Schon beim ersten Lied habe ich mitgeklatscht", berichtet sie mit strahlenden Augen. "Ich war schon öfter hier im Theater und habe bereits ein paar Stücke gesehen. Ich freue mich jedes Mal, wenn wir hierher gehen." Da ist sie nicht die einzige. Für Matthias ist es ebenso keine Premiere. "Zwei Mal war ich jetzt hier und es war super", fasst er überzeugt zusammen. Daher verwundert es letztlich nicht, dass der Zwölfjährige und seine Freunde während des Stücks kaum still sitzen können: Bei den Liedern klatschen und schunkeln sie auf ihren Plätzen; manche springen entsetzt auf, wenn die Hexe auf die Bühne springt.

Einmal im Jahr lädt das Ingolstädter Theater die Kinder des Caritas-Zentrums zu einem kostenlosen Besuch ein. Gestern Vormittag machten sich die Kinder und Jugendlichen gemeinsam mit 30 Betreuern auf den Weg. "Das ist jedes Mal eine richtige Odyssee", sagt Reinhard Wild lachend. Der Sozialpädagoge hilft dabei, den alljährlichen Theaterbesuch der St.-Vinzenz-Kinder zu organisieren. "Einige fahren zwar mit den Bussen vom Caritas-Zentrum. Aber mit den Rollstuhlfahrern laufen wir hierher, das ist eine richtige Kolonne. Die Kinder haben sich seit Wochen auf diesen Ausflug ins Stadttheater gefreut."

Als am Schluss des Stücks die Hexe einen Kuss fordert und das Licht im Großen Haus ausgeht, verbreitet sich ein Raunen unter den Kindern: "Was passiert denn jetzt" Kurz darauf wird es wieder hell im Saal. Anstelle der bösen Hexe steht nun die märchenhafte Rapunzel auf der Bühne. Das Flüstern im Publikum wandelt sich in erleichterte "Aaah"- und "Ohhh"-Rufe. Endlich fügt sich das Schicksal des Ritters und der Hexe zu einem glücklichen Ende. "Ich fand die beiden sowieso am besten", erklärt Markus. "Als sie dann am Ende zusammengekommen sind, da habe ich mich sehr für den Ritter gefreut."

Der letzte Vorhang fällt, aber die Kinder von St. Vinzenz haben noch einen großen Moment vor sich. "Sie dürfen jedes Mal nach dem Stück auf die Bühne", erklärt Wild. "Das ist fast schon ein Ritual."

Diese Tradition genießen die Jugendlichen sichtlich: Staunend berühren sie die Kostüme der Schauspieler und erkunden neugierig die Requisiten auf der Bühne.