Ingolstadt
Hasenjagd am Landgericht

15.07.2011 | Stand 03.12.2020, 2:37 Uhr

Namenloser Nager: Der Hase in der Fassade des Ingolstädter Landgerichts ist unbestechlich. Er verrät seine Herkunft nicht. Auch die Menschen, die hier arbeiten, wissen nicht, wer ihn hier eingeritzt hat. Des Rätsels Lösung liegt im Jahr 1986. Damals wurde das Gebäude umgebaut und erweitert - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Hasen gelten gemeinhin als eher scheu. Einer hat sich an der Fassade des Landgerichtes Ingolstadt versteckt. Wie ist er da bloß hingekommen

Jeden Tag gehen viele Menschen an dem Relief-Hasen vorbei, der an der Fassade einer Kellertreppe in einer unscheinbaren Ecke in die Wand geritzt ist. Direkt über ihm brummt in einem Metallkäfig der Ventilator einer Klimaanlage. Das etwa ein Zentimeter tiefe Relief ist rund 25 Zentimeter hoch. Der Hase sitzt, ein seltsamer Strich geht durch seinen Kopf. Kaum einer nimmt von ihm Notiz. Kinderaugen bleiben solche Details allerdings selten verborgen. Eine DK-Leserin hat den Hasen vor Jahren regelmäßig auf dem Schulweg besucht. Heute ist sie erwachsen und fragt sich noch immer: „Woher kommt dieser Hase eigentlich“

Im Landgericht weiß man auf diese Frage keine Antwort. „Welcher Hase“, heißt es vom Hausmeister, der Gebäudeverwaltung, an der Pforte und in den Büros des Landgerichts. Selbst Geschäftsleiter Manfred Heckl muss gestehen: „Der ist mir noch nie aufgefallen.“ Nach der Anfrage des DONAUKURIER ist er sofort nach draußen gegangen, um den Nager zu suchen. Über die Kellertreppe, die der Hase ziert, werden „schwere Jungs“ in das Innere des Gebäudes gebracht“, erklärt Heckl. Woher der Hase allerdings kommt, kann auch er nicht beantworten. Auch eine Umfrage unter den Kollegen bleibt ohne Erfolg. Aber Heckl hat eine Vermutung: „Es könnte ein Steinmetzzeichen sein“, sagt er. „So wie sie in Dombaumeisterhütten verwendet wurden.“ Immerhin sieht der Hase nach einer professionellen Arbeit aus. Klingt nach einer guten Idee. Aber leider eine Sackgasse.

„Es handelt sich auf keinen Fall um ein Steinmetzzeichen“, sagt Otto Neumeyer, Eigentümer einer Eichstätter Natursteinfirma. Steinmetzzeichen würden zwar auch heute noch verwendet, aber sie seien meist kleiner und hätten eher eine geometrische Form. „Sie dienen seit der Antike als Mittel zur Abrechnung sowie als ,Qualitätssiegel’ von Werkstücken der Steinmetzen“, erklärt Neumeyer. „Ich würde den Hasen eher unter dem Stichwort ,moderne Kunst’ einordnen.“

Neumeyer hat allerdings noch einen Tipp, wo die Recherche weitergehen könnte. Er verweist auf die Natursteinfirma Lindner in Ingolstadt. Die habe eine Menge ähnlicher Fassaden in Ingolstadt gestaltet. Vielleicht hat sie auch die Steine für die geriffelte Jurafassade geliefert.

Und tatsächlich: Bernhard Lindner hat Mitte der 1980er Jahre mitgearbeitet, als das Gebäude, in dem dereinst das Landratsamt untergebracht war, saniert und umgebaut wurde. „Ich war damals Lehrling in der Firma meines Vaters“, erinnert sich Lindner, der heute selber der Chef ist. Sitzungssäle, ein kleiner Zellentrakt und Beratungszimmer wurden angebaut. Am 1. März 1988 nahm das neue Ingolstädter Landgericht die Arbeit auf – und auf der hinteren Fassade beäugte der Hase jeden Delinquenten, der den Gang ins Gericht antreten musste.

An den Hasen kann sich Lindner gut erinnern. Er weiß auch, wo er herkommt. Der Strich durch den Kopf gibt einen Hinweis auf die Herkunft: Der Hase trägt einen Stift hinter dem Ohr. „Das ist das Logo des Architekten“, erklärt Lindner. Ostermann heißt das Architekturbüro, das den Nager noch heute im Logo trägt.