Ingolstadt
Gottes Werk und Teufels Beitrag

29.06.2011 | Stand 03.12.2020, 2:41 Uhr

Teuflisches Andenken: Nach einer Ingolstädter Legende, soll der Satan den Stein auf das Münster geworfen haben. Heute ruht der rote Brocken im Pflaster der Theresienstraße, Ecke „Am Stein“ - Foto: Strisch

Ingolstadt (DK) Im Pflaster der Theresienstraße ruht ein roter Quader. Der Stein soll dereinst vom Teufel auf das Münster geschleudert worden sein. Getroffen hat er nicht, den Schanzern aber eine Sehenswürdigkeit beschert.

Ohne Ludwig den Gebarteten wäre Ingolstadt heute deutlich ärmer an Postkartenmotiven. Der baufreudige Herzog ließ im 15. Jahrhundert unter anderem das Neue Schloss und das Liebfrauenmünster errichten. Lebhafte Diskussionen um Neubauten haben in der Schanz ebenfalls eine lange Tradition. So monierten die Ingolstädter 1417 etwa, dass Ludwig sein Schloss direkt vor das Feldkirchner Tor baute, das in jener Zeit den Ostausgang der Stadt bildete. An dem selbstbewussten Ludwig prallte diese Kritik freilich ab.

Die Sage erzählt allerdings von einem noch weitaus mächtigeren Widersacher. Der Teufel höchstselbst habe sich durch den Bau des großen Münsters gestört gefühlt, erzählt man sich in der Stadt. Voller Wut soll er des Nachts einen Stein aus der Bauhütte der Kirche gestohlen und ihn mit gehöriger Wucht aus großer Höhe auf das Münster geschleudert haben. Was dann geschah, darüber sind sich die Legendenstricker nicht einig. Die einen sagen, der Gottseibeiuns habe den Bau verfehlt, andere erzählen, Engel hätten das Geschoss umgeleitet und er sei rund 200 Meter weiter östlich gelandet.

In einer anderen Version der Geschichte segelte der Stein durch ein Fenster des Münsters, quer durchs Kirchenschiff, auf der anderen Seite durch einen Spitzbogen wieder hinaus und landete im Friedhof, der damals noch unweit des Gotteshauses lag. Mutige Soldaten hätten ihn schließlich im Jahr 1814 an den Schliffelmarkt gekarrt und im Boden versenkt.

Dort ist der rote Teufelsstein noch heute im Pflaster der Fußgängerzone zu bestaunen. „Am Stein“ heißt die Straße denn auch passenderweise. Spaßverderber merken allerdings an, dass es diese Bezeichnung bereits im Jahr 1359 gab, mehr als 50 Jahre vor dem teuflischen Anschlag. Vielleicht also stand hier dereinst das erste Ingolstädter Steinhaus und hat der Straße ihren Namen gegeben. Manche Quellen erzählen auch, der Stein sei beim Bau des Münsters übriggeblieben und vom Wachszieher Berthold gekauft und als Eckstein seines Hauses verbaut worden.

Wie auch immer, der Teufelsstein an der Einmündung in die Theresienstraße gehört heute zu den Ingolstädter Wahrzeichen. Auch wenn man ihn beim Spaziergang durch die Fußgängerzone leicht übersehen kann. Das allerdings ist nicht ratsam, denn noch heute warnen alteingesessene Ingolstädter davor, auf den Stein zu treten. Andere sagen, man solle lieber auf den vermaledeiten Brocken spucken.

Auch wenn die Geschichte in allen Varianten wohl purer Aberglaube ist, kann sie auch den Menschen heute noch etwas sagen. Davon ist Dekan und Münsterpfarrer Bernhard Oswald überzeugt. Die Legende dokumentiere die tiefe Dankbarkeit der Menschen nach dem gelungenen Münsterbau. Der hat schließlich rund 100 Jahre gedauert. „Wenn man bedenkt, was alleine bei einem normalen Eigenheimbau alles passieren kann“, sagt Oswald. Der teuflische Steinwurf ist sicher keine historische Tatsache, aber dass Gott noch heute interveniert und Schaden von den Menschen abhalten kann, davon ist Oswald überzeugt. „Er hat uns nicht einfach in die Welt hineingesetzt und sich dann für immer zurückgezogen. Er ist stets präsent.“

Das Liebfrauenmünster zählt heute zu den größten gotischen Hallenkirchen in Süddeutschland. Ludwig der Gebartete hatte sie schließlich nicht nur als Ort der stillen Einkehr, sondern auch als repräsentative Herrschaftskirche geplant. Im Münster finden rund 9000 Menschen Platz, obwohl Ingolstadt zur damaligen Zeit nicht einmal 4000 Einwohner hatte.