Ingolstadt
Die drei Weisen

Warum sitzen auf dem Brunnen vor der Hohen Schule ausgerechnet Marabus?

03.04.2012 | Stand 03.12.2020, 1:38 Uhr

Besuch bei den Marabus: Der Brunnen auf dem Platz vor der Hohen Schule wurde 1965 errichtet. Die bronzenen Vögel verschönern seither den Platz vor der einstigen Landesuniversität. - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Fast scheint es, als grübeln die drei großen Bronzevögel auf dem Brunnen vor der Hohen Schule über ein schwieriges Problem. Vielleicht darüber, warum ausgerechnet sie als Marabus, die ja eigentlich in Afrika leben, den Schanzer Platz zieren.

Sinnierend starren die drei Marabus in das Wasserbecken zu ihren Füßen. Noch ist der Biergarten, der im Sommer um die Vögel errichtet wird, nicht aufgebaut. Tauben nutzen derzeit die Ruhe auf dem Platz vor der einstigen Ingolstädter Landesuniversität zu einem Bad im Becken des Brunnens. Direkt unter den mächtigen Schnäbeln der Storchenvögel.

Eigentlich leben Marabus in Afrika. Dennoch schlug der Münchner Bildhauer Erich Hoffmann sie als Brunnenfiguren vor, als das Ingolstädter Stadtbauamt 1964 zu Vorschlägen zur Gestaltung eines neuen Brunnen aufrief. Der sollte das eiserne Modell ersetzen, das bis dahin den Platz zierte. Die Idee mit den Marabus entstand in einem Gespräch, das Hoffmann mit seiner zweiten Frau Sigrid führte. „Ich habe es geliebt, gemeinsam mit ihm Ideen zu entwickeln“, sagt die heute 81-Jährige, die sich gut an den Marabubrunnen erinnern kann. Der Marabu sei ein Sinnbild für Weisheit und Wissen, erklärt Hoffmann, deswegen passe er gut vor eine einstige Universität. Tatsächlich erinnert der kahle Vogel mit seinem eingezogenen Kopf an einen nachdenklichen Greis. „Potthässlich, aber würdig“, findet Hoffmann.

1965 wurde der Brunnen schließlich errichtet. Der Entwurf überzeugte mehr als die ebenfalls eingereichte Eule und mehrere abstrakte Brunnenfiguren. Zwei Jahre später starb Erich Hoffmann im Alter von 57 Jahren. „Er hat den Marabubrunnen sehr gemocht“, sagt seine Witwe. Das war nicht bei allen seinen Werken so. Um Geld zu verdienen, musste Hoffmann Auftragsarbeiten erledigen, die ihm nicht immer behagten. Darunter ein Brunnenensemble von Hirte samt Stab, Hund und Schaf. „Das war das Spießigste, was er je gemacht hat und hat ihm gar nicht gefallen“, weiß Sigrid Hoffmann. Zufriedener war er auch mit seinem „Knabe mit Fisch“, den er 1963 für den Brunnen entwarf, der seitdem auf dem Platz an der Ecke Donaustraße / Steuartstraße steht.

Früher waren Brunnen für das Leben in einer Stadt unersetzlich. In Ingolstadt, so ist es in der Materialsammlung von Kurt Scheuerer nachzulesen, errichtete der herzogliche Brunnenmeister Thomas im Jahr 1549 das erste Brunnenhaus am Einfluss der Schutter in die Stadt. Ein Schaufelrad trieb ein Schöpfwerk an, das Grundwasser aus der Tiefe holte, mit dem über hölzerne Leitungen die vier öffentlichen Brunnen versorgt wurden. Je einer stand auf dem Schliffelmarkt, einer auf dem Salzmarkt (dem heutigen Rathausplatz), dem Weinmarkt in der Theresienstraße und dem Milchmarkt in der Harderstraße. Nur die Häuser reicher Patrizier und natürlich das Schloss verfügten über einen eigenen Wasseranschluss. Manche Schanzer gruben auf ihrem Grundstück auch eigene Brunnen. In den Brunnenbüchern aus dem 16. Jahrhundert sind rund 50 solcher Wasserstellen verzeichnet. Rund 300 Jahre ging das so. Allerdings wurde der Wasserbedarf der wachsenden Schanz immer größer, die Schutter versandete zusehens und selbst der Einsatz einer Dampfmaschine konnte nicht mehr genügend Wasser aus der Tiefe liefern. 1890 wurde Ingolstadt schließlich über eine Leitung vom Krautbuckel bei Unterhaunstadt aus versorgt, wo es etliche ergiebige Quellen gab. Viele Schanzer verfüllten daraufhin ihre privaten Brunnen. Einige blieben allerdings bestehen und halfen nach der Zerstörung des Ingolstädter Leitungsnetzes im Zweiten Weltkrieg, den Wasserbedarf der Stadt zu decken.

Heute ist niemand mehr auf das Wasser in den öffentlichen Brunnen angewiesen. In erster Linie dienen sie dem Schmuck der Stadt. Einige, wie der Marabubrunnen, sind Wahrzeichen der Stadt geworden. Sigrid Hoffmann will den bronzenen Vögeln bald einen Besuch abstatten. „Ich war seit Jahrzehnten nicht mehr da“, räumt sie ein. Den gestrigen Anruf des DONAUKURIER nimmt sie zum Anlass, das bald zu ändern. „Ich will den Marabubrunnen meiner Enkelin zeigen“, hat sie sich vorgenommen.